China empört über US-Sanktionen

■ Mögliche Kündigung des Raketentechnologie-Kontrollabkommens angedroht / Peking bezeichnet amerikanische Reaktion auf chinesische Rüstungsexporte als "unverhüllte hegemoniale Handlung"

Peking (dpa/AP/taz) – Der amerikanische Botschafter in der Volksrepublik China, Stapleton Roy, ist ins Pekinger Außenministerium bestellt worden, um einen Protest gegen die von den USA gegen China verhängten Wirtschaftssanktionen entgegenzunehmen. Washington hatte am Mittwoch Sanktionen gegen China wegen des Verkaufes von Raketenteilen an Pakistan verhängt.

Der stellvertretende chinesische Außenminister Liu Huaqui bezeichnete die Sanktionen nach Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua von gestern als „unverhüllte hegemoniale Handlung“. Die Maßnahme sei „völlig unangemessen und unannehmbar“. Die sino-amerikanischen Beziehungen seien „ernsthaft gefährdet“. Unter Hinweis auf die Lieferung von US- Kampfflugzeugen an Taiwan im Vorjahr warf der chinesische Vizeaußenminister Washington Doppelzüngigkeit und „Machtpolitik“ vor.

Angesichts der US-Sanktionen, so erklärte Liu weiter, habe China keine Alternative, als die Einhaltung des Raketensperrvertrages (MTCR) zu überdenken. China hat dieses Abkommen zwar nicht unterzeichnet, sich aber 1991 dazu verpflichtet, es einzuhalten.

Nach dem Sanktionsbeschluß dürfen aus den USA zwei Jahre lang an China keine Spitzentechnologie und Güter geliefert werden, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können, darunter Computer und Navigationsgeräte für Satelliten. Auch gegen Pakistan wurden Strafmaßnahmen verhängt, die aber weitgehend symbolisch sind, weil es keinen bedeutenden Handel gibt. Das Meistbegünstigungsrecht im Handel – die Gewährung günstiger Einfuhrzölle in die USA – war Pakistan schon früher entzogen worden, weil es nach US-Erkenntnissen Nuklearwaffen entwickelt.

Nach Ansicht der International Herald Tribune ist es kein Zufall, daß der Konflikt zwischen Peking und Washington zu diesem Zeitpunkt aufgebrochen ist: China versuche, zitierte die Zeitung einen US-Diplomaten, zu sehen, wie weit US-Präsident Bill Clinton zu gehen bereit sei. Clinton – der im Wahlkampf versprochen hat, sich verstärkt für die Einhaltung der Menschenrechte in China einzusetzen und gegen die Ausweitung des internationalen Waffenhandels vorzugehen – hatte mit Rücksicht auf die amerikanische Wirtschaft im Mai die Meistbegünstigungsklausel für China verlängert. Der jüngste Zwischenfall um den chinesischen Arbeiterführer Han Dongfang, der in China nach seiner Rückkehr mißhandelt und dann wieder ausgewiesen wurde, zeigt, daß die Führung in Peking gegenwärtig nicht gewillt ist, sich Bedingungen stellen zu lassen. Und bis Clinton sich erneut über eine Verlängerung der Handelspräferenzen entscheiden muß, kann noch viel geschehen.