Heilsarmees Feinde

■ Morbid Angel und mehr am 19. September im Docks

Morbid Angel, die zusammen mit vermeintlichen Genre-Kollegen am 19. September das Docks heimsuchen wollen, werden, wenn auch unbewußt, beweisen, daß Death-Metal eine sich zunehmend im Wert steigernde Aktie ist. „You cannot get more extreme than death metal“, verkündet der Zweimeter-Mattengoliath und MA-Frontmann David Vincent heroisch und bestätigt somit, daß Extremismus heutzutage immer öfter zu Rang und Namen verhilft, denn nahezu ausnahmslos wird ihm dieser Mumpitz abgekauft. Meist reicht es bekanntlich, wenn von alledem nur die Rede ist, denn richtig extrem sind die finsteren Metal-Mannen in der Realität nicht: Mit ihrer extrovertierten Satanismus-Propaganda locken sie eigentlich niemanden mehr aus der Reserve, die Heilsarmee, die die Morbid-Angel-Plakate beinahe lückenlos zu überkleben suchte, einmal ausgenommen.

Die neue Veröffentlichung Covenant entbehrt jedoch nicht einer gewissen, zeitweise unschlagbar pathetischen Schönheit, die sie zweifellos ihren weltweit sich erfolglos aufbäumenden Klonen voraus haben. Und manchmal sind sie sogar brutal, wenn sie das Gemetzel in römischen Arenen besingen und in diesem Kontext kindlich logisch die Existenz des Christengottes bewiesen sehen wollen. Trotzdem und entgegen allen Promotionstrategien sind Morbid Angel Musiker, die ihr Fach beherrschen, und keine ernstzunehmenden Satanisten. Ausbleiben könnten allerdings die penetrant und selbstverliebt eingestreuten Gniedel-Passagen des semi-sakralen Sechs-Saiten-Fuhrwerkers Trey Azagthoth.

Magisch ebenfalls nicht gerade talentiert sind die Schweden Dismember, die sich im Vergleich zu Morbid Angel eher holperig formulieren. Sowohl textlich, als auch musikalisch sind sie eine ganz andere Kragenweite, die wohl nicht ausschließlich darauf erpicht ist, von Fan-Eltern als „gefährlich“ mißverstanden zu werden. Das manifestiert sich auch in ihrem unüberhörbar jugendlichen Sound. Ihre Entwicklung verläuft ähnlich wie bei den ehemals als Skandinavisches Turnierpferd des Death-Metal gehandelten Entombed: Den bis zu acht Halbtönen tiefergestimmtem Kriech-und-Knüppel-Attacken mit Grabesstimme hat man zugunsten hardcorelastigem Midtempo-Metal den Rücken gekehrt. Was bleibt, ist die annähernd primatenartige Grabesstimme. Apropos Primaten: Grave (auch Schweden) haben solche Qualitäten, ihre dummdreist pathologischen Texte wirken jedem Interesse an ihrer Musik zerschmetternd entgegen. Jan Cristoph Wolter