Die Wut der Mörderinnen

■ Filmemacherin Beatrix Schwehm über tötende Frauen / Morgen Premiere

Morden Frauen anders? Die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Ann Jones stellte fest, daß Frauen vor allem nahestehende Menschen töten. Selten planen sie ihre Tat lange im voraus. Eine Gefängniswärterin: „Sind Frauen, die morden, nicht einfach ganz normale Frauen in Wut?“ Müssen Mörderinnen femmes fatales sein?

Fragen, die Beatrix Schwehm in einen 16-Millimeter-Streifen gesteckt hat: Mit brennender Vernunft ist ein „Film über Frauen, die töten“. Die Bremer Filmemacherin zeigt ihn erstmals morgen zur Filmreihe im Kino 46 über die Mordsweiber (vgl. taz v. 8.9.). Wie morden Frauen, und wie reagiert die (Männer-)Gesellschaft darauf — ein schier endloser Fragenkatalog, in welchen Beatrix Schwehm für 20 kurze Filmminuten eintaucht. Dokumentarisch-assoziativ.

Sie beginnt mit Frank Wedekind: Eine Schauspielerin (Barbara Kratz) probt die Lulu aus Erdgeist. Die Büchse der Pandorra: „Sie ward geschaffen, Unheil anzustiften, zu locken, zu verführen, zu vergiften, zu morden, ohne daß es einer merkt.“ Die Schauspielerin schafft es nicht, nach dem Mord an ihrem dritten Ehemann mit Wedekind zu sprechen, „er war der einzige, den ich geliebt“.

Dieser emotionale Bruch interessierte Beatrix Schwehm. Wenn Frauen im 19. Jahrhundert freigesprochen wurden, weil sie aus Eifersucht sprich Liebe töteten, wenn Adelheid Streidel unmittelbar nach ihrem Attentat auf Oskar Lafontaine für verrückt erklärt wird, hat das für sie mit Entmündigung zu tun. „Ich muß mehr wissen, ich glaube nicht an den Zufall“, sagt sie im Film.

Beatrix Schwehm geht auf Spurensuche. Sie zeigt den Wurf einer Messerwerferin auf einen Männerkopf, beobachtet die Frauensektion eines Schießsportclubs beim Training. „Mich reizten neue Erzählformen“, meint die Autodidaktin, die letztes Jahr für ihr Mörderinnen-Projekt 27.000 Mark von der Bremer Filmförderung bekam. „Dadurch hatte ich die Chance, viele Sachen auszuprobieren.“ Jahre zuvor hatte sie bereits an der Hamburger Hochschule für Künste mit Frauen Videoarbeit gemacht. Auch Mit brennender Vernunft ist von einem Frauenfilmteam produziert worden.

Der neue Film beschäftigt sich in Beatrix Schwehms Augen mit einem Phänomen. Niemand setzt sich ernsthaft mit den Motiven auseinander, die Frauen morden lassen. „Moralisches Irresein“ wirft sie an die Wand, „das ist auch Männerangst. Die führe ich ad absurdum.“ Mit dem angstvollen, gehetzten Atmen eines Mannes, der — getötet wird. Kurz und prägnant stellt die Filmfrau ihre Assoziationen dar.

Fast ungestüm, ja unwirsch führt die Kamera die Bilder zusammen. Beatrix Schwehm bezieht Position. Sie scheint die Mörderinnen ihrer passiven Rolle entheben zu wollen, collagiert und montiert und appelliert an andere Wahrnehmungen. Das schnelle Tempo zieht in Bann. Und nach 20 Minuten in diesem Karussell bleibt doch wieder eine Frage zurück: Wie dürfen Männer morden? Silvia Plahl

„Mit brennender Vernunft“ hat am morgigen Sonntag Premiere, um 12 Uhr im Kino 46, Waller Heerstr. 46