Village Voice
: Socken-Jazz: Berlin bläst über See

■ „Fun Horns – live in south america“

Wenn vier Berliner Bläser eine Reise tun wollen, dann schauen sie erst mal beim Goethe-Institut vorbei, um zu fragen, wo noch Plätze frei sind. Dann gehen sie nicht in 'ne Peep-Show, sondern zum Fotografen. Dort wird Natural-Music-bewußt posiert, kleiderlos, haarig (aber besockt), nur die Blechtröten verdecken noch die bleichen Körperanhängsel. Der Blick in den vaginalen Schlund des Tenorsaxophons soll offenbar suggerieren, daß man sich was gedacht hat. Das CD-Cover verrät es später: Bei den Berliner Fun Horns beginnt die Schattenseite unterhalb der Gürtellinie.

Wenn vier Berliner Bläser nach Südamerika reisen, haben sie Palestrina im Gepäck. Santiago de Chile, 112 Sekunden Kontrapunkt als Auftakt und Symbol: die Saxophonisten Volker Schlott und Thomas Klemm, der Posaunist Jörg Huke und Trompeter Rainer Brenneke blasen hymnisch heimisch – auch die Abendländler wollen ethnische Identität bezeugen. Auf der Klangräume- CD „Fun Horns – live in south america“ ist jetzt ein akustischer Eindruck ihrer neunwöchigen Tournee im vergangenen Jahr dokumentiert. Wer zum ersten Mal die Fremde besucht, denkt häufig an die Daheimgebliebenen und wundert sich so über einiges. Darüber etwa, daß die südamerikanischen Zuhörer kamen, obwohl die Fun Horns bar jeder Rhythmusgruppe waren. Darüber auch, wie satt man doch zu Hause ist, dort, wo das Publikum häufig nicht mal weiß, wie denn zwei Hände hörbar zusammenzuführen sind.

Wer zum ersten Mal die Fremde sieht, will, daß davon auch was zum Hören bleibt. Volker Schlott jedenfalls hielt das fotografische Ohr seines DAT-Recorders gegen alles, was klang. Die Strand- und Straßensounds der Copacabana, von Buenos Aires, Bahia oder Rio nahm er so mit nach Hause und füllte damit die CD-Rillen zwischen den Stücken. So entstand ein musikalisches Potpourri, welches für die Dabeigewesenen, für nahe Verwandte und gute Bekannte gewiß von einiger biographischer Bedeutung sein dürfte. Uns Fremde hingegen erwartet die Fun- Horns-typische Mischung aus jazzigen Kunststückchen zwischen Bläserquartett und Blaskappelle, zwischen Bierzelt und Kirchturm, Kanon 3 oder Suite for F-Horns genannt. Der ausgeruhte Blues de Lomo klingt stark wetterfühlig, die abschließende 4. Saxophonie Nr. 3 kinderselig und stierkampflaunig.

Wie auch immer: die Fun Horns waren auf Reisen. In der Fremde hielten sie sich an das Heimische, schnupperten ein bißchen Star-Sein und ein massenhaftes Publikum, das ihnen zu Hause bislang versagt blieb. An der Copacabana soffen sie mit den Meistertrommlern von „Baticun“ so viele Cajpirinhas, bis eine gemeinsame Tournee beschlossen war. Beim „Jazz across the border“ im Haus der Kulturen der Welt haben sie unlängst dem überseeischen Urlaubsflirt reminisziert. In zwei Viertelkreisen standen sie sich da gegenüber und spielten das je Eigene zusammen – Stoff für eine nächste Scheibe.

Die Fun Horns sind zweifelsohne versierte Bläser, und sie kennen die Literatur, aber muß gleich alles auf einer Scheibe belegt werden? Die „Fun Horns – live in south america“ mimen swingend funkige Vielseitigkeit und reihen musikalische Edelantiquitäten neben Heimatklang und Gastfreundschaft. Feuchte Musikeraugen mögen zwar rührig sein, abendfüllend sind sie noch nicht. Wer den Spaß im Namen führt, neigt zur plakativen Übertreibung, wo Gelassenheit gut käme. Die entbößte Cover- Pose deutet Steife an, und die steht dem Ulk nicht gut. Christian Broecking

„Fun Horns – live in south america“, Klangräume-CD 30060, rec. March–May 1992 in South America. Die Fun- Horns-CD ist bislang nur dort erhältlich, wo der Buschfunk-Vertrieb hinreicht. Da der jedoch überwiegend östlich sendet, gibt es für Stadtverlorene auch eine Mailorder-Anschrift: Klangräume-Verlag, Karsten Struck, Im Winkel 1, 24817 Tetenhusen