„Prom“ in Hamburg

■ Klassikspaß mit Anne Sofie von Otter und John Eliot Gardiner in der Musikhalle

Das Big-Mac-Prinzip marschiert. Im Konzertsaal freilich Con variazioni. Denn was John Eliot Gardiner am Sonntagmorgen zwischen zwei Milchbrötchenhälften - Brahms und Strauss - aus Kurt Weills Sieben Todsünden machte, war kein Hackfleisch, sondern saftiges Filet. Großen Anteil am Gelingen des Menus hatte Anne Sofie von Otter, - Gardiner sei Dank - in Hamburg schon oft zu hören, in der Doppelrolle beider Seelen der Hauptfigur Anna. Der Balanceakt, den die musikalische Zwischenwelt dieser Koproduktion Weills und Brechts (Paris 1934) der Solistin abfordert, schien für die Mezzo-Sopranistin aus Schweden kein Problem: Locker und sehr präsent füllte sie Weills Welten zwischen Frechheit und Frömmigkeit, Sprechgesang und ariosem Stil, zwischen Mahler und Music-Hall. „Gegen die Korruption des Kapitals“ richte sich das Stück, meinte Gardiner in einer launigen, gänzlich unoberlehrerhaften Einführung vorneweg, zwischen dem parodistischen Cocktail aus allerlei Stilen verberge sich „die schockierende Wahrheit dieser Moritat“. Einzige Schwäche des Stücks scheint das Publikum zu sein. Gäbe es irgendwo auf der Welt einen Ort, wo es dieser musikalischen Provokation nicht einfach brav lauscht?

Bei den anschließenden Weill-Liedern kam, einen Tag nach dem Abschlußkonzert der „Proms“ in London, Prom-Stimmung auf. Frau von Otter streute lustvoll (Strei)sand ins Getriebe klassischer Seriosität, verknüpfte souverän Bar und Belcanto, Gardiner sang, dirigierend, ein bißchen dazu, das NDR-Orchester klang, als könne es selbst nicht ganz fassen, daß es sich auch im Mantovani-Sound ganz gut und vor allem vergnüglich anhört.

Im Zwischenwelt-Idiom der Musik Weills kam es freilich nicht ganz zurecht, da fehlte für Momente doch die spezifische Dirtyness, der Groove. Nachdem Brahms Haydn-Variationen sehr munter und durchsichtig geklungen hatten, fand es in Strauss' Till Eulenspiegel-Musik zu theatralisch-dynamischer Gestaltung dieser witzig collagierten Komödie der Orchestergestalten. Stefan Siegert