■ Nachgefragt
: "Mehr Geld als gute Ideen"

In diesem Sommer häufen sich die zehnjährigen Jubiläen alternativer Projekte — vom Werkhof über Elrond bis zur Shakespeare-Company. Auch der grüne Ökofonds, aus dem viele dieser Projekte Zuschüsse bekommen haben, feierte am Wochenende sein 10. Jubiläum. Jürgen Sosna gehörte zu den Mitgründern des „Netzwerks Selbsthilfe“ und vertritt heute den grünen Ökofonds.

taz: Zur Zeit feiert ein Projekt nach dem anderen 10jähriges. Was war 1983, daß gerade da so viele Projekte entstanden?

Jürgen Sosna: Da war die Phase der Orientierungssuche vorbei. Und es ergab sich auch die Notwendigkeit, aus der Perspektive Arbeitslosigkeit heraus etwas zu machen. Das war die Phase, wo die Szene anfing, in viele Institutionen hineinzukommen. Und viele haben dann auch die Grünen gewählt, damit sie uns vom Tisch der Macht und des Geldes die Möglichkeiten einräumen — eine ganz strategische Wahl.

Und wieso gibt es heute keine öffentliche Diskussion mehr um die gesellschaftliche Bedeutung der Projekte-Szene?

In den zehn Jahren ist eine Differenzierung eingetreten: Die einen, die mit viel Idealismus angefangen haben, machen heute vielleicht ganz andere Sachen, weil sie gemerkt haben, daß ihr Idealismus nicht marktfähig ist oder sich nicht auf Dauer subventionieren läßt. Und die anderen, die es geschafft haben, eine Marktnische zu entdecken oder sogar marktförmig erfolgreich zu sein — Fahrradmanufaktur, Tischler, Elektriker — die haben eigene Verbände gegründet, die inzwischen sehr professionell am Markt agieren und keine Berührungsängste mehr haben.

Gleichzeitig ist die Gesellschaft so liberal geworden, daß das Besondere an den Initiativen nicht mehr auffällt. Wir haben uns an die bunte Welt des Konsums und seine verschiedenen Facetten gewöhnt.

Deswegen muß ja nicht zwangsläufig auch das politische Interesse an einer alternativen Ökonomie verlorengehen...

Da hat sich vieles realistischer entwickelt, als man vor zehn Jahren dachte. Nach damaliger — naiver — Utopie kam der Markt und dann die Frage, wie man 'ne Mark macht. Zum 10jährigen Jubiläum des grünen Ökofonds kommen eher Leute, die Lust haben, etwas ganz Neues zu machen.

Was ist das zum Beispiel?

Der Ökofonds muß inzwischen selbst die Kritik der Grünen mitfinanzieren. Zum Beispiel gibt es da die Hebamme aus der Neustadt, die jetzt mit unserer Unterstützung gegen den Innen- und den Umweltsenator klagen wird, daß bei austauscharmem Wetter nicht die Kinder drin-, sondern die Autos stehenbleiben. Bisher ist es ja genau umgekehrt. Anderes Beispiel: der grüne Weidedamm — da finanzieren wir die Opposition innerhalb der Grünen.

Will vom Ökofonds jemand auch anderes als Geld?

Manche schon. Leider gibt es viel zu wenig gute Ideen, die man fördern könnte. Fragen: Dirk Asendorpf