Durchs Dröhnland
: Unser Mann für Sci-fi

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Die letztgültige Ausformung der Entwicklungen im Metal bleibt vorerst der Grindcore. Die Reduzierung der Texte auf kurze, ständig wiederholte Phrasen und des Gesangs auf ein unverständliches hohes Kreischen bzw. dumpfes Dröhnen ist nahezu abgeschlossen: Ein großer Rülps, ein einziges Grunzen, irgendwie dadaistische Lautmalerei korrespondiert auch bei Extreme Noise Terror mit abgehacktem Geboller.

In dem Mansch sind nur selten Riffs zu erkennen, wobei sich die Engländer, die – wie fast jede Band aus der dortigen Szene – auch ein Ex-Mitglied von Napalm Death in ihren Reihen haben, immerhin noch hörbar dem Einfluß Hardcore verbunden fühlen. Aus dessen Liaison mit dem Metal wurden damals Speed und Trash, bei Extreme Noise Terror sind davon immerhin ein meist durchgehend rhythmisches Geklopfe und kürzere Haare übriggeblieben. Und der Verzicht auf zu ausufernde Improvisationen und abrupte Rhythmuswechsel. In nun acht Jahren haben sie es immerhin auf drei Peel-Sessions und bald vier LPs gebracht, ihr Ruf im Königreich gründet sich allerdings hauptsächlich auf ihre Live-Performances.

Am 17.9. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Auf dem Acker nebenan wird am selben Abend ebenso eifrig gepflügt, doch hier sind die Matten drei Klassen länger, die Bandnamen entsprechend kürzer und das Gekreische noch leidlich verständlich. Dem Metal am nahesten kommen dabei noch Atheist, die zwar wie alle anderen beim notorischen Scott Burns in Miami aufnehmen lassen, aber auch Mark Pinske hinzuzogen, der früher bei Frank Zappa an den Reglern saß. Und das hört man dann auch.

Da gibt es richtige Intros, richtige Melodien, und die Gitarren nuddeln sich ganz klassisch gegenseitig zu Höhenflügen. Benediction dagegen machen ihrer Heimatstadt Birmingham alle Ehre. Dort, wo Black Sabbath, die Ehrenvorsitzenden von Death, und Bolt Thrower, die zu den ersten der Enkelgeneration gehörten, herkommen. Benedictions Death ist schwer durchdacht strukturiert, mit langsam dräuenden Parts, die rasant von hyperventilierendem Geknüppel abgelöst werden. Dabei alles unglaublich exakt gespielt und mit einem Sänger, dessen Mageninhalt-nach-außen-Stimme nicht mal angestrengt wirkt. Im Moment vielleicht die beste aktive Deathkapelle zwischen hier und der Hölle.

Mit Cemetary am 17.9. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Die englischen Honkies tröten vor allem, was das Zeug hält. Ihr sogenannter Jazzcore ist zwar wenig Core und dafür viel Jazz, aber hat keinen Deut der Ernsthaftigkeit, die sonst mit dem Genre verbunden wird. Es ist ein locker-flockiges, zumeist rhythmisches Musizieren, in dessen Verlauf ab und an alle auszuflippen scheinen.

Doch sobald beim Jeder- macht-seins der Spaß verlorengeht, nehmen sie sich wieder zur Gruppe zusammen. Für eine so kommerzielle Wirkung wie bei den verblichenen, aber vom Ansatz vergleichbaren Pigbag sind die Honkies allerdings eindeutig zu konfus. Dafür steht einem eine Begegung der mindestens 25. Art bevor. Damit niemand überfordert wird, sorgen die Holy Rollers aus Washington D.C. per dort üblichem Hardcore für konventionellere Ergänzung.

Am 18.9. um 22 Uhr im K.O.B.

Pennywise sind alte Schule. Damals, als Hardcore noch Punkrock hieß. Ihre Platten erscheinen auf Epitaph, die erste wurde produziert von Brett Gurewitz – kein Wunder, daß sie penetrant mit Bad Religion verglichen wurden. Im Gegensatz zu denen sind sie zwar wesentlich abwechslungsreicher (was allerdings nicht allzu schwierig ist), aber mindestens genauso schnell und haben vielleicht sogar die besseren Melodien. Und so was wie die Ramones mit eingeschaltetem Turbo hat die Welt ja eigentlich auch noch gebraucht.

Am 20.9. um 21 Uhr im Huxley's Junior

Jon Spencer Blues Explosion Foto: Veranstalter

Weil sie so herrlich dämlich sind und doch so wunderschöne Melodien hatten. Weil sie sich die Fingernägel lackierten, als niemand mehr das cool fand, und hübsche Coverversionen wählten. Weil sie so schlaff waren und Maniriertsein mit Kunstmachen verwechselten, darum doch noch der Hinweis auf The Mission: Klasse Gruftrock mit Totenschein auf Eßpapier.

Am 21.9. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

In Anbetracht der Medienhysterie um deutschen HipHop schien es fast, als wäre das an der Hauptstadt völlig vorbeigegangen. Für die Kreuzberger von CPS sind die Breakbeats allerdings schon das zweite Leben. Versiertes Rapping, allerdings auf englisch, bieten hier Menschen, die vormals (und teilweise wohl immer noch) bei Angelus, Gunjah oder den Motor Weirdoz für gestandenen Hardrock bis Punk verantwortlich zeichneten. Ebenfalls nicht vom Englisch und auch nicht ganz vom Rockkonzept lassen konnten Mr. Ed Jumps The Gun, die in klassischer Rock-Trio-Besetzung trotzdem etwas produzieren, was man HipHop nennen könnte. Allerdings sind hier deutlich Punkeinflüsse vorhanden.

Besonders nett sind vor allem die mit Drang zur Komik ausgewählten Coverversionen wie „Wild Thing“ oder AC/DCs „TNT“. Ebenso handgemacht versuchen Take The Cake Anschluß zu finden. Sehr funklastig erinnern sie hin und wieder an die Red Hot Chili Peppers, ohne allerdings deren dreiste Selbstverständlichkeit zu erreichen. Alle drei Bands im speziellen Berlin-Pack zum Schnupperpreis.

Am 22.9. um 20.30 Uhr im Loft

Niemand kennt Catania. Doch die zweitgrößte Stadt Siziliens ist nicht nur – noch vor Palermo – die gar nicht so heimliche Mafiahauptstadt der Insel, sondern hat auch absolut nichts vom freundlichen Mittelmeerfeeling. In verrotteten Neubauten entsteht dort die härteste Musik Italiens. Wobei hart hier nicht mit Hardcore verwechselt werden sollte. Uzeda knüppeln nicht und wechseln nicht den Rhythmus, sie werden höchstens schneller und langsamer.

Doch hinter dem eher hausbackenen Versuch, die böse implodierende Atonalität von Velvet Underground mit der Apathie englischen Schrammelrocks zu verknüpfen, verbirgt sich eine tiefsitzende Verzweiflung, die sich in gemeingefährlich stumpfen Exzessen Bahn bricht. Ohne große Härte wird lakonisch herausgekreischt, was faul ist im Staate. Souverän verzweifelt hat jetzt auch Klänge bekommen.

Am 22.9. um 21 Uhr im Huxley's Junior

Dort, wo Rock 'n' Roll heutzutage noch mit Großbuchstaben geschrieben wird, wohnen oft keine Jungspunde mehr. Einer der älteren gesetzten Herren, die die Zukunft des Genres repräsentieren, heißt Jon Spencer und hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Kopf von Pussy Galore: noch vor Sonic Youth die martialischste Attacke auf die Trommelfelle, die je aus New York kam, vier Gitarren inklusive. Danach Boss Hog: der Versuch, mit Rock und dem Gesicht seiner Frau Geld zu verdienen, ohne das eigene Gesicht zu verlieren. Jetzt die Jon Spencer Blues Explosion: die Zersetzung des Blues mit anderen Mitteln.

Im Vergleich dazu waren die Cramps zwar Chorknaben, aber sie hatten schon damals die richtige Besetzung. Zwei Gitarren und ein Schlagzeug reichen völlig, ein Baß ist da nur hinderlich. Bei Spencer ist der Blues wieder da, wo er hingehörte und wo sein Name einmal herkam. „Blue note“ wird auf blue note getürmt, mal langsam thrillend, mal schnell und kreischend, aber immer wird er den Klauen all der Claptons dieser Welt entrissen und in den Dreck zurückgeschmissen. Noch einmal fest in den Matsch gedrückt, und wenn die Zukunft für diese aussterbende Gattung in archäologischer Vergangenheitsbewältigung liegt (was eben naheliegt), dann ist Spencer unser Mann für Sci-fi.

Mit Germ Attack am 23.9. um 21 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Thomas Winkler