Nach der Sonne bauen

■ Eine Ökostadt für Brandenburg

Kein Dorf, sondern gleich eine ganze Stadt wollen etliche Berliner in Brandenburg bauen – ökologisch, wie sich versteht. An der ÖKOSTADT GmbH sind bislang 106 Gesellschafter mit je 1.000 Mark beteiligt. Einen festen Bauplatz gibt es offiziell noch nicht. Zu Wünschen und Chancen befragte die taz die beiden Geschäftsführer, Annette Müller (31) und Hannes Linck (38).

taz: In welcher Größenordnung ist die Planung einer ökologischen Stadt überhaupt realistisch?

Linck: Die Gemeinde, mit der wir jetzt ernsthaft verhandeln, hat gut 5.000 Einwohner. Wir planen auf einer ehemaligen GUS-Liegenschaft einen Stadtteil für 1.000 bis 1.200 Menschen, die mit uns ökologisch bauen und wohnen möchten. Das Interesse ist riesengroß, aber anfangs wird wohl der harte Kern von knapp 30 Leuten rausziehen und erst mal anfangen. Ein paar hundert Leute warten diese Pionierphase ab – es wollen halt nicht viele Pioniere sein.

Müller: Wir hoffen, so früh wie möglich Menschen aus der betreffenden Gemeinde begeistern und integrieren zu können. Wir wollen mit unserem Projekt schließlich ein Angebot machen, das zur Stadt und ihrer Entwicklung paßt. Es soll diese aber auch beeinflussen können, wenn die Bewohner sehen, daß es bei uns klappt, daß sie das auch für sich wollen.

Was wird die Öko-Stadt ausmachen, wie sind die konkreten Pläne?

Müller: Wir wollen auf Beton verzichten, lieber Holz und auch Lehm nutzen. Damit sind sicher keine Hochhäuser zu bauen, aber die wollen wir ohnehin nicht. Stabile Häuser lassen sich so durchaus bauen, gut isolierte Häuser, die nur wenig Energie brauchen. Mit Wintergärten, guter Luftzirkulation und entsprechender Dämmung ist das möglich.

Linck: Bei uns werden die Häuser nach der Sonne ausgerichtet, nicht nach den Ideen irgendeines Planers. Zur Idee gehört auch, daß der Stadtteil frei von Privatautos sein soll, Wohn- und Arbeitsraum müsen also nah beieinander liegen. So ist die Luft besser, Energie wird gespart, was wir auch in den Häusern wollen: mit Solarenergie, Windkraft, der Verbrennung von Biomasse und sogar Wasserkraft.

Die Öko-Stadt soll also völlig autark sein?

Müller: Nein, wir werden sicher ans Stromnetz angeschlossen, aber wir wollen soviel Energie wie möglich selber produzieren. Auch mit dem Wasser soll sparsam umgegangen werden; vorgesehen sind getrennte Wasserkreisläufe für Trink- und Brauchwasser, denn zum Blumengießen braucht niemand bestes Trinkwasser. Viele Toiletten werden Komposttoiletten sein, die gibt es inzwischen auch für Etagenwohnungen ...

... stinken die nicht?

Müller: Nein, die sind völlig geruchsfrei. Da muß auch kein Eimer mehr rausgetragen werden, wie bei Omi damals. Das sind Möglichkeiten ökologischer Bauweise, die sich die Leute später bei uns angucken können. Wer baut schon um, wenn er kein funktionierendes Vorbild vor Augen hat? Das ist für mich ohnehin das Tolle an der Idee ÖKOSTADT: Wir können ziemlich unbekannte Sachen ausprobieren, die für einzelne unheimlich teuer wären. Gemeinsam läßt sich das aber realisieren.

Gibt es denn schon ein Finanzierungskonzept?

Linck: Leider nicht. Da die Fläche noch nicht feststeht, wissen wir logischerweise noch nicht, was wir zahlen müssen. Für ein konkretes Konzept fehlen uns noch die Eckdaten. Aber aus Potsdam ist uns schon signalisiert worden, daß die Ministerien für Umwelt und Bauen der Idee sehr aufgeschlossen gegenüberstehen, wir können also auf Förderung hoffen. Außerdem planen wir unter anderem Sozialwohnungen, die werden ja ohnehin unterstützt. Und wer allein baut, trägt die Kosten natürlich auch selbst.

Reagiert die Bevölkerung der Wunsch-Gemeinde schon auf die Vorschläge?

Müller: Viele finden das unglaublich spannend, was wir vorhaben. Allerdings sehen die meisten noch zu, haben eine hohe Erwartungshaltung: „So, jetzt macht mal!“ Es ist schwer, den Leuten klarzumachen, daß das nur mit ihnen klappen kann, daß das für sie eine Chance ist.

Das Interview führte

Christian Arns.