■ Mit der Metallindustrie auf du und du
: Tarifgeplänkel

Berlin (taz) – Die kommenden Tarifauseinandersetzungen in der Metall- und Elektroindustrie würden zur „Nagelprobe“, kündigt der Arbeitgeberverband Gesamtmetall an. Wenn jetzt die IG Metall bei den zum Jahresende anstehenden Tarifverhandlungen maßlose Lohnsteigerungen durchdrückt, dann wäre der Industriestandort Deutschland endgültig in Gefahr. Die IG Metall jedoch hatte gar keine Reallohnerhöhung gefordert. Im Gegenteil, angesichts der miesen Konjunktur bot die Gewerkschaft an, auf eine sonst übliche Forderung zu verzichten, nämlich die stärkere Anhebung der unteren Einkommensstufen zwecks Umverteilung. Die Löhne sollten nur soweit steigen, wie es der Preis- und Produktivitätssteigerung entspricht.

Die Lohnstückkosten seien aber explodiert, um 11 Prozent allein im ersten Halbjahr dieses Jahres, klagen die Arbeitgeber. Und schuld daran sei neben der Rezession vor allem die Gewerkschaft. 1993 sind die Löhne allerdings nur um 3,4 Prozent gestiegen (inklusive Weihnachtsgeld), was nicht einmal die Inflation von rund vier Prozent ausgleicht. Da aber zugleich die Arbeitszeit um eine Stunde reduziert wurde, kommt dies einer Steigerung um sechs Prozent gleich, sagen die Arbeitgeber. Nur haben die Arbeitnehmer eben nicht sechs Prozent mehr Geld gesehen.

Dafür durften viele Arbeitnehmer Erfahrungen mit dem Arbeitsamt machen. Die Jobverluste waren in der Metallbranche nach Angaben von Gesamtmetall doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Wirtschaft: 350.000 Stellen wurden in den letzten zwölf Monaten abgebaut, die Arbeitslosigkeit stieg damit um 44 Prozent. Restrukturierung nennt sich so etwas. Die Auftragseingänge seien aufgrund der allgemeinen Rezession um ein Fünftel niedriger als vor Beginn des Abschwungs 1990. Seit Jahresbeginn sei die Produktion um 17 Prozent gesunken. Weil der Stellenabbau damit nicht Schritt gehalten hätte, sei die Produktivität um insgesamt zwei Prozent geschrumpft.

Die Branche stecke in einer fundamentalen Existenzkrise, die Situation sei weitaus schlimmer, als sie von Politikern und Konjunkturforschern eingeschätzt werde, jammern die Metallunternehmer und drohen mit Abwanderung. Die Gegenseite wiegelt ab. Solche Katastrophenmeldungen gehörten eben zum Vorgeplänkel von Tarifverhandlungen, meint lapidar die IG-Metall-Pressesprecherin. Untersuchungen der Gewerkschaft über den Standort Deutschland ergaben nämlich, daß die hiesige Arbeitskostenentwicklung keineswegs so außergewöhnlich ist und im internationalen Vergleich im Mittelfeld liege. Nicola Liebert