Tod eines Nazis: Panik oder Totschlag?

■ Neuauflage im Prozeß um den Tod von Rainer Sonntag

Dresden (taz) – Staranwalt Rolf Bossi ist immer für eine überraschende Einlage gut. Zu Beginn der Revisionsverhandlung um den Tod des Dresdner Neonazi-Führers Rainer Sonntag nuschelte er eine „persönliche Erklärung“, wonach er sein Mandat als Wahlverteidiger für den Hauptangeklagten „wegen gewisser Schwierigkeiten“ niederlegen müsse. Das Geld stimmte nicht, sein Mandant wollte mit dem Honorar nicht ganz so hoch hinaus wie es angeblich vereinbart war. Bossi ging, und Richter Rainer Lips konnte sich in Ruhe seiner Aufgabe widmen.

Der griechische Staatsbürger Nicolas Simeonidis und der Deutsche Ronny Matz sind angeklagt, in der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni 1991 „gemeinschaftlich handelnd und aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet“ zu haben. Dafür standen sie bereits vor Gericht, am 26. März 1992 wurden sie freigesprochen. Nach dem Revisionsantrag von Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin wurde der Freispruch vom Bundesgerichtshof aufgehoben.

Er ist jetzt des Totschlags angeklagt. Die Anklage gegen Ronny Matz lautet auf Nötigung. Die Anklage wiederholt den bisher durch keinerlei Fakten gestützten Vorwurf, Simeonidis und Matz hätten einen „Tatplan“ ausgeheckt, um „gegen die Rechtsradikalen in Dresden Krieg zu führen“ und den selbsternannten Neonazi-Führer Rainer Sonntag „aus Haß und Rache“ zu töten. Aus beiden Biographien spricht vielmehr, daß den Angeklagten nichts ferner lag als irgendein politisches Interesse.

Beide waren in einer Mannheimer Sexpension beschäftigt und wollten so etwas auch in Dresden aufbauen. Dort hörten sie bald von Sonntags Sittenwächtern, die unbescholten für „Recht und Ordnung“ sorgten, doch das brachte sie nicht von ihren Plänen ab.

Am 31. Mai 1991 tauchten zwei Typen mit einem Ultimatum im Sexlokal auf: 50.000 Mark oder Überfall. Zwar hatte die Darstellung von Simeonidis gestern durchaus Züge eines schlechten Krimis, doch der Todesschuß auf Sonntag steht wie vor einem Jahr als „Panikreaktion“ im Raum. Simeonidis selbst bestritt gestern, den Schuß vorsätzlich abgegeben zu haben. „Ich wollte nie jemanden töten oder verletzen“, sagte er. Er habe sich angesichts einer Neonazi-Versammlung bedroht gefühlt und wollte lediglich einen „Warnschuß“ abgeben. Detlef Krell