Wenn die Wahlplattformen platt geraten

■ Die Wahlprogramme von SPD, CDU, GAL und FDP nehmen Rücksicht auf die neue Unübersichtlichkeit / Klarheit über die beabsichtigte Politik schaffen sie nicht

„Wir werden einen Gesetzesentwurf für die Verwaltungsreform vorlegen, der zu mehr kommunaler Demokratie und effizienter Verwaltung führt.“ – „Modernisierung und Demokratisierung staatlichen Handelns werden einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen.“ – „Demokratie und Effizienz sind kein Widerspruch. Die Hamburger Verwaltung muß zu einer Dienstleistungsverwaltung werden.“ – „Die Politik muß zwischen den Bürgern vermitteln und ausgleichen, denn der Staat ist um des Menschen willen da, nicht umgekehrt.“

Liebe LeserIn, hätten Sie's gewußt? Alle Parteien (Reihenfolge der Zitate: CDU, SPD, GAL und FDP) wollen offenkundig dasselbe: Mehr Demokratie, den Staat als Dienerin der BürgerInnen. Ob Straßenbahn, mehr ÖPNV und Fahrradwege, bessere Schulen, mehr Sicherheit, mehr Wohnungen, weniger Schulden, ein bißchen Privatisierung – die Wahlprogramme der Parteien werden einander immer ähnlicher. So haben die Grünen eine Hafenmodernisierung in ihrem Wahlkatalog, perfekt gemixt aus FDP (mehr Marktwirtschaft), CDU (Mittelstand mobilisieren), SPD (soziale Besitzstände) und Grün (Ressourcen schonen). Teile des CDU-Verkehrsprogramms könnten von grünen Autohassern geschrieben sein, das SPD-Wirtschaftsprogramm ist Handelskammer pur, die FDP-Vorschläge zur Drogenpolitik decken sich mit der Voscherau-Initiative zur Heroin-Freigabe, die GAL-Ideen zur Sanierung der Stadtkasse finden Bewunderung auch im wirtschaftsliberalen Lager und und und ...

Das hat System. Die Großstadtprobleme von heute lassen sich mit den parteipolitischen Scheuklappen von vorgestern nicht mehr bewältigen. So ist von der weltanschaulich geprägten Verbissenheit, mit der einst Grüne und SPD als „Programm-Parteien“ an ihren Wahlaussagen feilten, nichts mehr übrig geblieben. Im Gegenteil: Mit den 35 Punkten ihres Sofortprogramms für die ersten 100 Tage der Regierung blieb die CDU am genauesten. Die FDP glänzt mit einem Null-Programm wirtschaftsliberaler Gemeinplätze und die SPD hält sich inhaltlich bedeckt.

Etwas differenzierter ist die Programmlage bei den Grünen: Sie haben diesmal bewußt auf die Formulierung unverzichtbarer „Knackpunkte“ verzichtet, sahen sich aber umgekehrt auch noch nicht in der Lage, differenzierte Aussagen zu allen Politikfeldern zu machen. So ist ihre Wahlplattform tatsächlich ziemlich platt geraten. Andererseits arbeiten bei den Grünen seit einigen Wochen zu allen wichtigen Themenbereichen Arbeitskreise, zum Teil mit externen ExpertInnen, welche das Wahlprogramm konkretisieren und der direkten Vorbereitung von Koalitionsverhandlungen dienen. In internen Arbeitspapieren beginnen Formulierungsvorschläge schon mal mit „der Senat wird...“ oder „die Regierung beabsichtigt...“. Von der detailgenauen Arbeit, welche die GAL hier leistet, erfährt die WählerIn vor dem Wahltag aber so gut wie nix. Die grüne Entschuldigung: Man/frau habe diese Arbeit erst im Sommer beginnen können, bei einem Wahlkampf im Jahr 1995 wäre das grüne Blatt rechtzeitig auf den Tisch gekommen.

Welche Politik die Parteien nach einer erfolgreichen Wahl machen werden - das ist die Frage, welche die WählerInnen wirklich interessiert. Welche Teile ihres Programms nehmen sie ernst, wie werden sie hehre Ziele praktisch und im Detail verwirklichen? Die Wahlprogramme der Parteien verraten es nicht. Florian Marten