Reiches Land — Arme Kinder

■ Kinderschutzbund zieht Bilanz zum Weltkindertag

Unter der Überschrift „Reiches Land — Arme Kinder“ hat der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) eine düstere Bilanz zur Situation der Kinder in Deutschland gezogen. Die Kinder seien 1993 so großen Belastungen ausgesetzt wie nie zuvor in der Bundesrepublik, sagte DKSB-Präsident Heinz Hilgers in Hannover. Am Montag ist „Weltkindertag 1993“.

„Wer heute Kinder bekommt, hat mehr Grund zur Angst als zur Freude, denn Kinderkriegen leitet den sozialen Abstieg ein“, sagte Hilgers. Er forderte einen Verzicht der Bundesregierung auf geplante Einsparungen bei der Arbeitslosenunterstützung sowie bei Sozialhilfeleistungen.

Die Bilanz zur Situation der Kinder in Deutschland bezeichnete der Präsident des Kinderschutzbundes als „erschreckend“. So lebten mehr als eine halbe Million Kinder in Obdachlosensiedlungen oder in schlechten Wohnverhältnissen. Mehr als zwei Million Kinder lebten in Haushalten, in denen ein oder sogar beide Elternteile arbeitslos seien. Als völlig neues Problem komme in Deutschland die Kinderobdachlosigkeit hinzu. Allein in der Bundeshauptstadt Berlin solle es rund 3.000 Kinder geben, die ohne jegliche Betreuung auf der Straße lebten.

Hilgers prangerte eine Brutalisierung des öffentlichen Lebens an. Gewaltdarstellungen beherrschten die elektronischen Medien und als Spiegelbild der Erwachsenenwelt werde die Gewalt unter Kindern immer brutaler. Aber auch Eltern ließen es teilweise an Brutalität nicht mangeln: Mehr als eine Million Kinder unter 15 Jahre würden mit Stöcken oder anderen Gegenständen geschlagen.

In Anbetracht der Situation reagierten immer mehr Kinder mit psychischen Symptomen wie etwa Kontaktunfähigkeit oder Gewalttätigkeit. Etwa jedes fünfte Kind weise derartige Auffälligkeiten auf. Gleichzeitig steige auch der Medikamentenkonsum der Kinder, vor allem bei Psychopharmaka. Etwa 13.000 Kinder unternähmen pro Jahr einen Selbstmordversuch. Zu einem kindgerechteren Umfeld gehörten auch Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Straßen. dpa