Fehlstart nach Europa

■ Wenn das Parlament störrisch wird: Hickhack um den Europa-Regionalausschuß

Für die einen war es eine schlichte Formalität, für die anderen gings ums Prinzip — das ist der Stoff, aus dem heftige Parlamentdebatten gemacht sind. Gestern stand in der Bürgerschaft die Wahl der bremischen Vertreter zum Ausschuß der Regionen der Europäischen Gemeinschaft (AdR) an. Das ist der Bundesrat auf Europaebene, und Bremen hat dort einen Sitz, für den noch in diesem Monat ein Vertreter nominiert werden soll. Nach Meinung des Senats sollte das Klaus Wedemeier sein, nach der Meinung der Bürgerschaftsmehrheit auch. Aber trotzdem gab es Zank quer durch das Ampelbündnis. Die Frage war: Wer entscheidet letztendlich, wer Bremen im AdR vertritt. Am Ende stand ein veritabler Fehlstart nach Europa.

Noch im November 92 hatte die Bürgerschaft mit großer Mehrheit beschlossen, sie wolle über den Bremer Vertreter per Wahl entscheiden. Kann gar nicht, hatte damals Klaus Wedemeier gesagt. Das ließe die Verfassung nicht zu. Wedemeier gestern: „Der EG-Rat wählt auf Vorschlag des Senats an die Bundesregierung.“ Also hatte der Senat einstimmig beschlossen: Wedemeier ist der Mann für Bremen und Stellvertreter sollte Andreas Fuchs sein. Der ist Staatsrat in der Senatskanzlei. Die Bürgerschaft solle „zur Kenntnis nehmen“.

Das brachte einige Parlamentarier auf, die CDU sowieso, aber auch Grüne, und da besonders den Hermann Kuhn. Dabei hatten die Grünen im Senat den Vorschlag mitgetragen. Doch die Grünen-Fraktion war sauer, weil der Senat zuerst noch davon gesprochen hatte, die Bürgerschaft möge seinen Vorschlag „bestätigen“. Dann aber hieß es nur noch „zur Kenntnis nehmen“. Es gehe um das Recht des Parlaments gegenüber der Regierung, begründete der Grüne seine Sperrigkeit. Daß der Senat einen solchen Posten besetzen wolle, das bestätige nur die Befürchtungen in der Bevölkerung, daß über Europa nur noch von oben entschieden werde und die Parlamente nichts mehr zu sagen hätten

Kuhn provozierte dabei vor allem seine sozialdemokratischen Ampelkollegen: Klaus Dittbrenner war stinksauer, und Manfred Fluß zeigte dem Grünen gar den Vogel. Die SPD war davon ausgegangen, daß das Verfahren längst abgesprochen sei. Am Dienstag hatte sich der Koalitionsausschuß mit dem Thema befaßt und die Sozialdemokraten schwören Stein und Bein, die Grünen hätten zugestimmt. Die Grünen schwören dagegen. So geriet der Krach ins Parlament.

Es pressierte, die AdR-Mitglieder sollten so schnell wie möglich bei der Bundesregierung gemeldet werden. Also wurde die Frage nur für ein paar Stunden verschoben, In der Mittagspause tagte der Geschäftsordnungsausschuß und machte einen sibyllinischen Vorschlag: Wedemeier solle wegen des Zeitdrucks bestätigt werden, die Stellvertreterfrage aber offenbleiben, bis der Streit um die Interpretation der Verfassung geklärt sei. Und so geschah es dann letztendlich auch. Klaus Wedemeier wurde einstimmig gewählt/bestätigt/zur Kenntnis genommen, je nach Interpretation. Auf einen Stellvertreter muß er aber noch warten, so lange die Verfassungsexperten uneins sind. Jochen Grabler