Hochhausgewitter am Alexanderplatz

■ Der Architekt Hans Kollhoff gewinnt mit einem Hochhaus-Ensemble den städtebaulichen Wettbewerb

Das „Schaufenster des Sozialismus“ – der Alexanderplatz mit Forum-Hotel und Weltzeituhr – wird in den kommenden zwanzig Jahren sein Gesicht verändern. Wie in Alfred Döblins Roman „Berlin- Alexanderplatz“ „gibt es dort wieder Wind, der zwischen die Häuser pustet und in die Baugruben“. Der mythische Ort mit literarischer Aura soll durch einen radikalen Umbau seinen maßstabslosen Charakter verlieren und nach den Plänen des Berliner Architekten Hans Kollhoff in eine Hochhauslandschaft mit zwölf 40geschossigen Türmen umgebaut werden. Kollhoffs Hochhausgewitter setzten sich gegen die Architekten Libeskind/Faskel (2. Preis) sowie die Planer Kny/Weber (3. Preis) durch.

Auch in der „zweiten Stufe“ des „Städtebaulichen Wettbewerbs Alexanderplatz“ zur Gestaltung umfangreicher Büroflächen für ansässige Investoren bestand Kollhoffs Idee in der Transformation historischer Strukturen in ein Quartier mit einem neuen städtebaulichen Schwerpunkt – den Wolkenkratzern. Die Stadtstruktur, so der Architekt gestern bei der Vorstellung des überarbeiteten Entwurfs, werde „von den Rändern des Areals an den Platz herangeführt: von Nordwesten in Form großer Wohnblöcke, im Südwesten durch Solitärbebauung“.

Den Alexanderplatz fassen in dem Modell massige Blocks, die „den Duktus der Behrens-Bauten aufgreifen“. Die Nutzungen dieser Gebäude geben in den Erdgeschossen Cafés, Restaurants, kulturellen Einrichtungen und kleinen Läden Raum. Kollhoff: „Auf der platzabgewandten Seite wachsen die rund 150 Meter hohen schlanken Türme aus der Blockstruktur, die den Kreis des Alexanderplatzes in einer zweiten Reihe nachziehen.“ Das Zentrum des Platzes bildet eine flache Glaslinse, die Einblicke in das Innere des U- Bahnhofs bietet. Über den Platz soll eine Straßenbahn rumpeln.

Im Unterschied zum ersten Wettbewerbsentwurf im Frühjahr dieses Jahres reduzierte Kollhoff die Baukörpertiefen. Statt 1,2 Millionen Quadratmeter Bürofläche entstehen nun Büros auf 800.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche (BGF). Für Läden und Geschäfte bleiben 200.000 Quadratmeter BGF. Kollhoff steigerte den Wohnanteil auf 3.500 Wohnungen. Zugleich verbesserte er die Zugänglichkeiten des Platzes durch die Auflösung der früheren Gebäuderiegel, sagte der Jury-Vorsitzende Jürgen Sawade. So sei eine „Symbiose“ zwischen Wohnhäusern, Blöcken und Hochhäusern entstanden, ein „städtebauliches Konzept, das aus Beziehungen besteht“, erreicht worden.

Zur Überarbeitung empfahl die Jury, die schluchtartigen Straßenräume zu erweitern und die Erreichbarkeit des Platzes weiter zu erleichtern. Sawade kritisierte die Planung des Hochhauses südlich der S-Bahnlinie, ebenso das Gebäude an der Zufahrt zur Karl- Marx-Allee. Die Wettbewerbs- Jury erwarte, daß der Architekt die vertikal und horizontal ausgerichteten Baumassen noch „verfeinert“.

Voll des Lobes zeigte sich Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer. Die Planung markiere nicht nur „ein neues Zentrum in zeitgemäßen Formen des Städtebaus“. Gleichzeitig widerspiegle der „stabile“ Entwurf „eine strenge und klare Ordnung“. Die Hochhäuser seien einheitlich und zurückgesetzt. Für diese „berlinische Variante“, die Hassemer in dem Entwurf entdeckte, würden bis auf die denkmalgeschützen Bauten und den Fernsehturm die vorhanden Gebäude abgerissen.

Mit dieser Entscheidung, sagte Patrick Weiss von der Wettbewerbsabteilung im Hause Hassemer gegenüber der taz, hofft man, die baulichen Visionen der acht Investoren – darunter Roland Ernst, der Verlag Gruner & Jahr, Klingbeil und EUWO – zu „zügeln“. Statt architektonischer Eskapaden entschloß man sich für ein enges städtebauliches Korsett.

Kritisch äußerten sich anwesende Bürger, die ihre Anregungen nach der ersten Stufe nicht eingelöst sahen. Weder reagiere der Entwurf auf den Wunsch, die Höhen zu reduzieren, noch auf die Vorschläge zur Verkehrsberuhigung.

Unzufrieden mit der Entscheidung zeigte sich besonders Dorothee Dubrau, Bezirksbaustadträtin in Mitte. Dubrau kritisierte die „Massierung und Dichte der Hochhäuser“, die dem Ort nichts mehr von seiner jüngeren Geschichte ließen. Zugleich befürchtet die Baustadrätin, daß das ab 1995 geplante Dienstleistungsviertel zu viele Büroflächen produziere und zugleich die Atmosphöre der benachbarten Quartiere verändere. Rolf Lautenschläger