■ Kommentar
: Sozis Phrasen

Verbale Luftblasen, Kungelkreise, Pfründe sichern: Hamburgs Sozialdemokraten gehen zum Alltag über. Wahlniederlage? Protest? Ach was. Weiter so SPD, weiter so, Hamburg, das ist die natürlich nicht öffentlich verkündete Devise.

Da mag Henning Voscherau noch so sehr beteuern, was er aus diesem Wahlkampf alles gelernt habe. Wenn die „Morgenpost“ gestern zu Recht titeln konnte, daß „nach der Pleite das große Pokern“ beginne, dann zeigt dies überdeutlich, daß zumindest ein Großteil der Sonntags-Botschaft bei der SPD überhaupt nicht angekommen ist.

Die „Protestwahl“, wie das Stimmverhalten der HamburgerInnen so gerne mit abqualifizierendem Unterton bezeichnet wird, war eine bewußte Entscheidung gegen auf Machterhalt ausgerichtete Taktiererei. Gegen genau jenes Bild von den abgewirtschafteten Altparteien, das die Sozialdemokraten vor den sogenannten Sondierungsgesprächen nach außen vermitteln. Eine Klüngelclique, der das Wahlergebnis ziemlich schnuppe ist. Motto: Wir könnten mit jedem... Bloß nicht frühzeitig Klarheit schaffen, das könnte ja die eigene Verhandlungsposition schwächen.

Ach so, darum geht es ja gar nicht, sondern um Inhalte, um nichts anderes als Inhalte, wie der Bürgermeister nicht müde wird zu erklären. Ja, worum soll es denn sonst gehen? Aha. Um Arbeitsplätze, Zukunftssicherung, innere Sicherheit. Ein bißchen Umwelt vielleicht? Na holla. Welche Partei wollte das nicht. Die Phrasendreschmaschine läuft rund. Das muß es wohl gewesen sein, was die WählerInnen unbedingt haben wollten.

Darf es noch ein Schuß gegenseitige Diffamierung sein? Die Grünen „als Verkörperung des Höhepunkts der westlichen Wohlstandsrepublik der 80er Jahre“ (O-Ton-Voscherau), als nichtsnutzige Fettaugen auf der – natürlich von Sozialdemokraten angerichteten – Suppe sozusagen. Ernstzunehmen braucht BürgerIn solche Anwürfe natürlich nicht. Auch Statt-Parteichef Wegner war dem Senatschef ziemlich eklig – vor der Wahl. Heute morgen wird's ihm schon geschmeckt haben. So produziert man Glaubwürdigkeit.

Aber das muß doch so sein in der Politik, wenden angesichts dieser Argumentation viele Sozialdemokraten ein, wir werden zu gegebener Zeit, nach den Sondierungsgesprächen, schon ausreichend Transparenz und Glaubwürdigkeit beweisen.

So muß es nicht sein. Das Wahlergebnis samt dazugehöriger Meinungsumfragen hat der Politik eine klare Präferenz vorgegeben. Die heißt Rotgrün. Das muß versucht werden – offen, ehrlich, sachlich. Ohne Gekungel. Ohne Luftblasen. Scheitern diese Verhandlungen, kann man sich auf eine rotgrüne Koalition nicht einigen, dann erst stehen andere Farbmischungen auf der Tagesordnung.

Uli Exner