Bist du stark genug für den Wandel?

■ Beim Abstecher in Bremen erwischt: Johnny Clegg, Südafrikas Hoffnung für eine bessere Weltmusik

Schwarz und Weiß in einer Band: Das war noch Mitte der 80er Jahre zuviel für die Hüter der Apartheid. Der Rundfunk in Südafrika sprach einen Bann über Johnny Clegg und seine Band Juluka. Viele Titel durften nicht im Radio verbreitet werden was die wachsende Fangemeinde nicht davon abhielt, massenhaft Cleggs Platten zu kaufen. Seine Konzerte galten als Manifestationen gegen die rassistische Politik. Was sich durch die Ansätze zur Liberalisierung und die neue Führungsrolle des ANC für die Künstler im Lande geändert hat — das erzählte Clegg im Gespräch anläßlich seines Auftritts im Bremer „Tivoli“.

taz: Wie erlebt ihr als Musiker die neuen Freiheiten, gibt es weniger Repressionen, was Auftritte und Radiosendungen angeht?

Johnny Clegg: Alle Gesetze zur staatlichen, politischen Zensur sind inzwischen beseitigt. Der SABC, das Sprachrohr der alten Regierung, wurde neu organisisert und unterliegt nicht mehr der parteilichen Kontrolle. Dadurch ist der Rundfunk zu einer offeneren Plattform geworden, auch für die Künstler. Aber das Problem ist, daß es immer schwieriger wird, aufzutreten wegen der Gewalttaten. Im bestimmten Landesteilen ist es kaum möglich, in die Townships reinzukommen, um dort zu spielen.

Was gerade eure Band zur Zeit der Apartheid ja häufig gemacht hat.

Genau, das ist das Paradoxe an der Situation heute. Früher konnten wir auftreten, aber unsere Songs waren aus dem Radio verbannt. Nun kann man uns zwar im Radio hören, aber nicht mehr live, wegen der wachsenden Gewalt.

Hat sich auch etwas verändert für dich als Songwriter?

Ja, der Wandel brachte für mich auch Frustration mit sich. Und die Erfahrung, wie komplex die historischen Hintergründe in unserem Land tatsächlich sind. Wir haben soviele unterschiedliche Kräfte, die sich um die Macht streiten. Manchmal scheint es wieder völlig unklar, was die Mehrheit der Leute eigentlich will. Wir leiden heute unter den Folgen einer Regierung im Exil. Der ANC war 25 Jahre lang praktisch im Exil und tut sich heute wirklich schwer, um mit den Problemen der alltäglichen Politik klarzukommen. Der ANC vertritt heute nicht mehr die hohen moralischen Ansprüche von früher; heute muß er sich eben viel stärker anpassen und Kompromisse schließen. Und dadurch entfremdet er sich von vielen Leuten.

Wie schlägt sich das in deinen Texten nieder?

Direkt behandele ich all diese Dinge überhaupt nicht. Was ich in meinen Texten spiegele, ist das Phänomen der Wandels. Wie gehen wir mit dem Wandel persönlich um? Was können wir daraus gewinnen? Was mußt du dabei aufgeben? Deine Ideale? Deine Werte? Deinen Glauben? Wenn nicht — wie willst du deine Ideale bewahren? Bist du stark genug, um mit mit diesem Wandel umzugehen? Jeder einzelne Song von mir handelt von sozialer oder persönlicher Bewegung.

Neben der afikanischen Elementen in eurer Musik, besonders den Zulu-Rhythmen und Gesängen, sind in den neueren Stücken auch keltische und indische Einflüsse zu hören - wie geht das zusammen?

Das hat wiederum mit unserer komplexen Geschichte zu tun. Südafrika ist ja ein typisches Beispiel dafür, wie im 19. Jahrhundert durch massive Wanderungsbewegungen auch viele, unterschiedliche kulturelle Auffassungen zusammentrafen. Hierher kamen Leute aus Italien, Holland, England, Portugal, China und eben auch Indien. Sie brachten ihre Musik mit, ihre Küche, ihre Kleidung. All das hat die südafrikanische Kultur geprägt, vermischt mit der afrikanischen Kultur. Ich wollte immer schon auf diese unterschiedlichen Momente der südafrikanischen Kultur hinweisen, und mit der neuen Platte hatte ich die Gelegenheit, das zu tun.

Welche Besonderheit interessiert dich am stärksten in der Musik der Zulu?

Die westliche Kultur ist linear orientiert, die afrikanische Kultur eher zyklisch. Das heißt: Ein Popsong bringt dich immer von einer Station zur nächsten. Er birgt das Versprechen in sich, daß der Hörer an einem neuen Ort ankommt. Die afrikanische Musik erzählt dir, daß der Anfang auch das Ende ist. Daher vermittelt diese Musik ein Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit. Du kannst immer wieder zu ihr zurückkehren. Jede der beiden Richtungen enthält für mich Wahrheiten, und als eklektischer Musiker möchte ich natürlich beides zusammenbringen. Es steckt eine unglaubliche Kraft in jedem freien Jazzsolo — es ist einmalig und wird niemals wiederkommen. Aber genauso stark wirkt ein Zulu- Rhythmus, der kreisförmig immer wiederholt wird, der dir ein Gefühl gibt, daß du ganz fest mit dieser Welt verwurzelt bist. Fragen: Thomas Wolff