Mut zum Klartext

Balsam für verschreckte Bürgerseelen: Die Asylbewerberzahlen gehen zurück. Endlich können die verlausten Hotels aufgegeben werden. Und die Stadtteile werden entlastet. Wenn die Wahrheit nur so einfach wäre!

Die Senatsentscheidung bedeutet noch etwas ganz anderes: Das Asylschiff bleibt, und zwar auf unbestimmte Zeit. Daß „eine endgültige Entscheidung vertagt“ worden sei, das ist reine Kosmetik. Klartext wäre gewesen: Wir werden das Ding nicht mehr los, machen wir das beste draus. Und auch die Stellungnahme der Sozialsenatorin, jetzt würden Stadtteile wie Gröpelingen „entlastet“, ist reine Verbalakrobatik, wenn im Kohlenhafen gleichzeitig eine schwimmende Sammelunterkunft installiert wird. Klartext wäre hier gewesen: Liebe Gröpelinger, das Schiff wird woanders zu teuer, wir müssens zu Euch legen. Dafür kriegt Ihr an anderer Stelle einen Ausgleich.

Die Meldung über den Rückgang der Asylbewerberzahlen sollte die Bürgerseelen beruhigen , doch die Angst vor ein paar unbequemen Wahrheiten kann alles wieder ins Gegenteuil verkehren. Die Rhetorik ist schnell durchschaut und die Leute fühlen sich verscheißert. Wünschen wir für die Zukunft den Mut zum Klartext. Jochen Grabler