Chinesischer Drache frißt Bärchen

In Monte Carlo ist bisher von den Berliner Unterstützern nicht allzuviel zu sehen / Publikumsliebling sind die Chinesen / Sieben Berliner Olmypiagegner wurden abgeschoben  ■ Aus Monte Carlo Uwe Rada

Vor den Wasserspielen im Park an der palmenbestandenen Allee des Boulingrins ist der Blick auf das mondäne Casino von Monte Carlo am besten. Hier wird das Foto fürs Urlaubsfoto geschossen, und hier hat TV-gerecht eine Kulturgruppe aus Peking Aufstellung genommen. Zwölf Mädchen in blau-weißen Kostümen bieten eingängige Popmelodien im fernöstlichen Gewand, und die Botschaft ist eindeutig: Das Reich der Mitte öffnet sich gen Westen – zumindest in Sachen Olympia. „Beijing 2000 – a new olympic horizon“. Derart in Szene gesetzt, ist den Pekinger Mädchen der Beifall der Zuschauer jedenfalls sicher.

Der Exot unter den Bewerberstädten ist der erklärte Publikumsliebling bei den zahlreichen Touristen in Monte Carlo. Wer in diesen Tagen bei 28 Grad nicht am Strand liegt, wartet vor allem hinter den Absperrgittern vor dem Casino darauf, eine Berühmtheit vor Augen zu bekommen. Meist jedoch vergebens. In Monte Carlo flanieren die VIPs nicht durch die Straßen, sondern werden von Daimler- Limousinen schnell und sicher hin- und herchauffiert. Der Stuttgarter Konzern, der auch Hauptsponsor für die Berliner Olympia-Marketing GmbH ist, hat für die 1001. Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) eigens einen Wagenpark zur Verfügung gestellt.

Ob mit oder ohne Erfolg, ist nach wie vor offen. Zwei Tage vor der Entscheidung über die Vergabe der Spiele 2000 ist das Kaffeesatzlesen derzeit die interessanteste olympische Disziplin. Kaum ein Journalist, Tourist oder Taxifahrer, der nicht sachkundig die Vor- und Nachteile der einzelnen Bewerberstädte aufzuzählen weiß. Insbesondere Sidney, nach dem Bericht der IOC-Prüfungskommission, aber auch bei Sportfunktionären nach wie vor als Favorit gehandelt, wird in den Straßen des monegassischen Fürstentums nicht allzu viele Chancen eingeräumt. „Ich denke, Peking wird gewinnen“, orakelt ein Geschäftsmann aus Manchester, der sich über die Chancen der eigenen Stadt keine Illusionen macht. Von der Berliner Opposition gegen die Bewerbung hat er noch nichts gehört, ebensowenig wie die Chinesen. Für die freilich, so scheint es, hört der „new olympic horizon“ ohnehin an den Grenzen des eigenen Landes auf.

Der Versuch einiger tibetischer Studenten, auf die Menschenrechtsverletzungen in China hinzuweisen, wurde indes von der monegassischen Polizei freundlich, aber bestimmt unterbunden. Andere Maßstäbe scheinen die Behörden dagegen bei den Berliner Olympiagegnern anzulegen. Bis gestern sollen bereits sieben von ihnen an die französische Grenze abgeschoben worden sein.

Nicht einmal andeutungsweise eine Spur gibt es hingegen von der Berliner Olympia GmbH und dem Regierenden Bürgermeister Diepgen und den heiß ersehnten Olympia-Fans aus Berlin. Einzig ein gelbes Bärchen drehte vor dem Hôtel de Paris, wo die IOC-Mitglieder untergebracht sind, artig seine Runden. Mangels Masse, so ging das Gerücht, sei die Berliner Olympia GmbH gezwungen gewesen, die Bärchensticker und T-Shirts vor allem den Kellnern im noblen Café de Paris vor dem Casino zur Verfügung zu stellen.

Auf der Allee des Boulingrins hat indessen eine Gruppe aus Sidney Aufstellung genommen. Die Performance unter Mitwirkung zweier Aborigines geht allerdings im Gelb der Peking-Caps unter. Eine Reisegruppe aus Hongkong klatscht zwar anfeuernd mit. Aber auch in Hongkong, so erklärt der Reiseführer, gelte China als Favorit. „Warum auch nicht“, sagt er, „viele versprechen sich durch die Spiele eine Demokratisierung.“