Brachiosaurus for president! Von Christine Berger

Angenommen, Sie haben keinen Fernseher, hören kein Radio und lesen nicht mal regelmäßig Zeitung, was wären dann wohl die Nachrichten, die trotzdem in den letzten Wochen bis in ihr Hirn vorgedrungen wären? Sie brauchen nicht lange zu überlegen – bestimmt sind auch ihre Kinder schon im „Jurassic Park“ gewesen, Dinosaurier grinsen Ihnen aus Überraschungseiern entgegen, und in Ihrer Lieblingsbäckerei heißt das gute Dreipfünder plötzlich Dino-Brot und ist fünfzig Pfennig teurer. Das Saurier- Fieber hat uns gepackt, auch wenn es Ihnen noch so auf die Nerven geht.

Wenn Sie außerdem in Düsseldorf, Bielefeld oder Berlin wohnen, ist Ihnen in der letzten Woche dann vielleicht auch der Polizeirummel auf den Straßen aufgefallen. Und als Ihre bessere Hälfte abends heimkam – hatte Sie Ihnen nicht aufgeregt mitgeteilt, daß er oder sie gerade nur fünf (!) Meter entfernt den Kaiser nebst Gattin hatte vorbeifahren sehen? Nein, nicht den Vorgesetzten Konrad Kaiser, sondern einen echten Kaiser, made in Japan, Name: Tenno Akihito. Sie fragen sich, was daran so Besonderes ist? Tja, das müssen Sie mal diejenigen fragen, die mit offenen Mündern und erfurchtsgeschwängertem Blick den Tenno-Besuch verfolgt haben. „Einen echten Kaiser kriegt man ja nicht alle Tage zu sehen“, werden Sie dann hören, und außerdem sei in unserem Land ja alles immer sooo kompliziert mit dem Staatsoberhaupt.

Wieso, könnte man jetzt weiterspinnen, hat Richard von Weizsäcker nicht einfach einen Sohn oder eine Tochter, dem oder der er im amtsmüden Augenblick einfach seinen Sitz frei macht? Keine Diskussionen mehr um irgendwelche dahergekommenen Thronfolger aus Sachsen oder Bettelgesänge zu Füßen Hans-Dietrich Genschers. Einfach abtreten, auftreten, und die Sache wäre geritzt.

Ein Affront gegen die erkämpfte Republik sei das, finden Sie, eine Verhöhnung unserer Demokratie? Vielleicht. Aber einen Kandidaten für den Thron des Bundespräsidenten können Sie schließlich auch nicht aus dem Ärmel schütteln, und daß Sie sich mit dem Mangel an fähigen Händeschüttlern befassen müssen, empfinden Sie doch ebenso als geistige Überforderung. Gnade all jenen Dingen des Lebens, die automatisch passieren, funktionieren und mit Garantieschein geliefert werden. Zum Beispiel Ihre Waschmaschine oder Ihr Beamtengehalt.

Wenn wir also schon nicht mit vom Geist der monarchistischen Vererbungswirtschaft geküßt sind – wie wäre es da, wenn wir statt dessen unsere Präsidenten produktiver gestalten und in Serie anfertigen lassen könnten? So mit allen Vorzügen, Streßtauglichkeit und hohem Ansehen, möglichst bildschirmfüllend und sattelfest im Rampenlicht. Natürlich tier- und kinderlieb und überhaupt allseits beliebt, da gutmütig und Vegetarier. Fällt Ihnen vielleicht jemand ein, der die Fabrikation übernehmen könnte?

Vielleicht hat Steven Spielberg noch einen harmlosen, lieben, 13 Meter großen Brachio- oder Brontosaurus aus dem „Jurassic Park“ übrig, erfunden auf dem Computer und mit allem behaftet, was wir uns wünschen. Ein Bundespräsident, der sich in Überraschungseiern, auf Margarinebehältern und beim Bäcker in tausendfacher Form vermarkten läßt, kann doch gar nicht schlecht sein.