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: Ruth's Imbis's

„Ein Mann am Zug“, ZDF, 19.25 Uhr

„Warum Schauplatz Bahnhof?“ titelt das ZDF-Info zu „Ein Mann am Zug“. Und klärt uns direkt auf: Das Milieu ist unverbraucht. Meint: Land- und Tierarztpraxis, katholische Gemeinde, Polizeirevier und Lindenstraße hatten wir schon, also nimmt man die ewig gleichen Handlungsstränge, variiert die Abfolge von Herz, Schmerz, entlaufenem Kater und Autounfall und setzt sie in eine andere Umgebung. Dahin, wo wir die verschiedensten Menschen erleben. Vom Jugendlichen mit Fernweh im Herzen und dem Interrail-Ticket in der Jeanstasche bis zu Eberhard Feik- Thanner. Die Geschichte muß am Hamburger Hauptbahnhof spielen, denn nur im Bahnhof erleben wir die ganze Welt. Nur hier startet stündlich der ICE und bestimmt den Rhythmus der modernen Großstadt. Nur hier erfährt man die rauhe menschliche Wärme dieses Milieus, die auch daher rührt, daß die Eisenbahner sich als große Familie verstehen.

Als große Familie übrigens, die gerne mal an Ruth's Bahnhofs-Imbiss speist. Und damit sind wir auch schon bei den dramaturgischen Höhepunkten des Pilotfilms: allen Szenen, die unter der Imbiss-Leuchtreklame spielen. Denn in vorbildlicher Weise um Authentizität bemüht, scheute sich Regisseur Udo Witte nicht, in mittlerweile gesamtdeutscher Pommesbudentraditiion ein „s“ der Leuchtreklame zu apostrophieren: Ruth's Imbiss“. Bietet jemand mehr? „Ruth's Imbis's“ vielleicht?

Aber während Knorr und Maggi für ihre – von der Handlung her vergleichbaren – Tütensuppen-Werbefilmchen wenigstens kräftig in die Tasche greifen müssen, bekommen Ruth und die Deutsche Bundesbahn diese neue Reklameserie umsonst. Eberhard Feik ist's nur recht: „Der Bahnhof ist für mich ein Sinnbild des Lebens – hier kann man erkennen, wie relativ alles ist. Ein Bahnsteig, der um 21.15 Uhr gerammelt voll ist, der ist um 21.27 Uhr wie leergefegt – und man fragt sich, wo sind all die Leute hin?“ Niemand weiß es, lieber Eberhard, möchte man ihm entgegnen. Aber ist es nicht ein wenig wie vor dem Fernseher? Ein Sofa, das um 19.25 Uhr gerammelt voll ist, das ist um 19.40 Uhr wie leergefegt? Und nur der Beobachter der taz hält einsam auf seinem Posten aus und erkennt, wie relativ alles ist. Martin Sonneborn