Dem Fremdsein trotzen

■ Im ZDF gesehen: „Mitten ins Schwarze“ von Moise Matura (Simbabwe / Bremen)

„Stellen Sie sich vor, Sie setzen sich in der Straßenbahn neben eine Frau, die steht auf und wechselt den Platz“, meint die Ansagedame freundlich und kündigt einen „ernst-ironischen“ Film von einem an, der es so erlebt hat. Moise Matura, ein junger Mann Anfang 20 aus Simbabwe, hat im Auftrag des ZDF die Erfahrungen seiner zwei Jahre Aufenthalt in Bremen dokumentiert: „Mitten ins Schwarze“ wurde Dienstag abend im „Kleinen Fernsehspiel“ gesendet.

Was bedeutet es, in Deutschland als Afrikaner, als Schwarzer zu leben? Eigentlich war Moise Matura ja nur für drei Monate hierher gekommen, um Gabriele zu besuchen, in die er sich zuhause verliebt hatte. Moise fuhr zum ersten Mal nach Europa und hatte viel Aufregung, Neugierde und Erwartungen im Gepäck. „Alles ist ganz anders“, sinniert der fröhliche junge Mann mit dem steifen Haarschopf in seinem Film.

Moise Matura erfährt, was es heißt, fremd zu sein und dieses Anderssein auf der Haut zu tragen. Er läßt die Leute auf der Straße fragen: „Magst du Bob Marley? — Du hast eine interessante Frisur. — Was möchtest du von uns?“ und will aus den Statements von Kindern hören, wie Vorurteile entstehen: „Findest du Neger ein nettes Wort?“ — „Neger ist ein Wort von einer Menschenart“, ist die Antwort.

Schon am Flughafen in Frankfurt und auch in Bremen Vor dem Steintor wird der junge Schwarze von der Polizei aufgehalten, vor Schwarzarbeit und Dealerei gewarnt und gemaßregelt. Schritt für Schritt baut Moise im Gegenzug die schönen Bilder, die er von Deutschland im Kopf hatte, ab. Kalt ist es hier, kontaktarm, schnell geht's zu und von wegen, die Menschen hier seien fleißiger, intelligenter, reicher und glücklicher.

„Mitten ins Schwarze“ ist die Identitätssuche eines inzwischen 22jährigen, sehr persönlich, jugendlich und daher etwas unbedarft. Da erscheint es geradezu zwingend, daß Moise Matura zwei in Hamburg lebende Frauen aus seiner Heimat aufsucht und von ihnen wissen möchte, ob Deutschland sie verändert hat. Und daß er ein — fast stoisches - Selbstbewußtsein entwickelt.

Für die Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“ ist dieser „Zeitzeugenbericht“ ein Experiment gewesen. Die zuständige Redakteurin Elke Müller dazu: „Moise Matura hatte ja kaum Erfahrung als Filmemacher, insofern war dieser Auftrag schon ein kleines Wagnis für uns.“ Das sich in ihren Augen gelohnt hat. Elke Müller schreibt dies nicht zuletzt dem internationalen Filmteam mit dem niederländischen Kameramann Peter van den Reek und dem Cutter Mike Shephard (USA) zu, die Moise Matura wertvolle Hilfe vor allem bei Sprachproblemen geleistet hätten. Produziert wurde übrigens beim Bremer Institut für Film und Fernsehen.

„Ich wollte das Leben und die Leute hier verstehen, aber ich hab' mich zurückgezogen, es ist mir zu fremd.“ Moise Matura wird dennoch wiederkommen und hier in Bremen in der Filmklasse der HfK studieren. Er hat sich entschlossen, der Angst vor dem Fremden eigensinnig zu trotzen. Silvia Plahl