Kahlschlag am Rembertikreisel

■ Gartenbauamt macht Drogenpolitik mit der Säge / Ortsamt Mitte: „Von Innensenator beantragt“

Gestern früh war das Jaulen der Kettensägen am Rembertikreisel unüberhörbar. Die Arbeiter des Gartenbauamts gingen rigoros gegen Pappeln, Linden und Ahorn vor. Innerhalb kurzer Zeit war das Ganze relativ kahl. Aufgabe des Gartenbauamts war es, den gesamten Rembertikreisel zu lichten und „Sichtschneisen“ zu schlagen. Klaus Rautmann, Leiter des Gartenbauamts, beim Anschauen der Rodungsarbeiten: „Wir hatten hier seit langem das Problem einer Gefährdung.“ Anlieger hätten sich beschwert, daß die Junkies den Raum als Druckraum benutzten und dann vor's Auto liefen. Einer derjenigen, die „Besorgnis äußerten“, war auch Innensenator Friedrich van Nispen. Er habe Staatsrat Uwe Lahl von der Umweltbehörde angesprochen, „daß er große Befürchtungen habe, daß wir bald die Schlagzeile über einen Toten am Rembertikreisel lesen können.“ Nein, einen Antrag habe er nicht gestellt. Lediglich „eine Anregung gegeben.“

Das sieht das Ortsamt Mitte/ Östliche Vorstadt anders. „Antragsteller war der Senator für Inneres“, sagt Jutta Puppe vom Ortsamt Mitte/östliche Vorstadt. Der Fachausschuß des Beirats habe dem „Antrag auf Auslichtung“ dann zugestimmt. Gegenstimmen gab es nicht. Auch Ortsamtsleiter Heck habe einer „Auslichtung zum Schutz der Junkies“ zugestimmt, berichtet seine Kollegin in Urlaubsvertretung.

Heino Stöver, der Geschäftsführer des Vereins für akzeptierende Drogenhilfe, hatte vorab von dieser Maßnahme nichts erfahren: „Es ist eine logische Fortführung der Zerschlagungspolitik. Entweder macht man Zäune drumrum, oder man macht es transparent“, sagt er. Er plädierte erneut für die Legalisierung einer öffentlichen Druckmöglichkeit. Isabel Dogröf vom AK Drogen: „Unter dem Argument, die Leute zu schützen, treibt man sie in die Schutzlosigkeit.“

Viele BürgerInnen riefen gestern aufgeregt beim Umweltschutztelefon in der Umweltbehörde an. Auch der Anwohner Andreas Wegner war erzürnt: Er hätte von der Lichtung gewußt, aber ihm sei versichert worden, daß keine Bäume abgesägt werden. Gestern legte er den Zollstock an: Schätzungsweise 20 Bäume mit Durchmesser von 20 bis 30 Zentimetern sind den Kettensägen zum Opfer gefallen. Laut Baumschutzverordnung dürfen solch große Bäume aber nicht ohne weiteres gefällt werden, erläuterte ein Experte. „Mehrstämmiges Gehölz mit 20 mal 30 Zentimetern Stammumfang ist nach rechtlicher Definition eine Gehölzgruppe und somit geschützt.“ Umweltstaatsrat Lahl betonte, daß es sich um eine mit dem Gartenbauamt abgesprochene Auslichtung handele. Weil der Rembertikreisel auf der Mitte nicht bewachsen war, erscheine die Aktion dramatischer als sie tatsächlich ist. „Es wird geprüft, ob das Gartenbauamt über das Ziel hinausgeschossen sein könnte“, sagt er. Vivianne Agena