Zähneknirschend den Grünen Punkt retten

■ Bremen soll dem DSD 5 Mio stunden / Sonst ist das Geld weg und der Müll bleibt liegen

Die Rettung des Dualen Systems (DSD) in Bremen wird einiges kosten: Damit die Produktion von Verpackungsmüll fröhlich weitergehen kann und die gelben Säcke weiterhin gesammelt, sortiert und teilweise wiederverwertet werden können, wird das Land Bremen für die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) wahrscheinlich dem DSD eine Forderung von 5 Millionen Mark stunden; die (BEB) werden ihre Dienstleistungen abbauen und Preisdruck auf ihre Subunternehmer machen; die Müllverarbeiter schließlich werden ihre Betriebe rationalisieren und Arbeitsplätze abbauen. Dabei ist Bremen in einer Lage der „alternativlosen Erpreßbarkeit“, so Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl: wird das Geld nicht gestundet, bricht das Duale System in Bremen zusammen — und die 5 Millionen, die ab 1995 zurückgezahlt werden sollen, sind bei der Zwangsvollstreckung ebenfalls unsicher, meinen die BEB. Bremen bleibt nichts anderes übrig, als das Geld zu stunden, wenn es das Geld nicht verloren geben will und auf das Duale System nicht verzichten möchte.

Der Hintergrund: Das DSD leistete im Juli bundesweit den Offenbarungseid: Bis zum Jahresende wird das Müllentsorgerkartell bei seinen privaten und kommunalen Subunternehmern mit insgesamt 850 Millionen Mark in der Kreide stehen. Die privaten Müllentsorger retteten das DSD, indem sie ihre aktuellen Forderungen in Darlehen umwandelten. Diesen Schritt verlangt das DSD nun auch von den kommunalen Entsorgern, wie dies in Bremen die BEB sind. Für eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage will das DSD drei Punkte verwirklichen: Die Schulden in Darlehen umwandeln, über die Marktmacht der angeschlossenen Handelsriesen (Metro, Tengelmann etc.) die Lizenzgebühren für den Grünen Punkt eintreiben und — für die Entsorger das Schmerzhafteste — die Preise für die Entsorgungsleistungen „ganz massiv“ um 20 Prozent reduzieren.

Zu deutsch: Die BEB bekommen vom DSD statt einer Million im Monat nur noch 800.000 Mark für die Sammlung des gelben Sacks. Um den Verlust aufzufangen, so Gerhard Schreve-Liedtke von den BEB, wird einerseits im Betrieb selbst rationalisiert. Außerdem werde die Preisreduzierung des DSD (Schreve-Liedtke: „Ein arroganter Schluderverein“) an die Subunternehmer weitergegeben und es müsse überlegt werden, „ob wir all die schönen Dienstleistungen für den Bürger wie die Abfallberatung und die Recyclinghöfe weiter anbieten können.“

Die Weitergabe der Reduzierungen an die Subunternehmer, die den Inhalt des gelben Sacks sortieren und zur Wiederverwertung fertigmachen, bringt diese wiederum in arge Schwierigkeiten. Auch wenn die Betriebe noch nichts Genaues sagen können: Seine Firma werde über Rationalisierungen und Entlassungen bei ihren 60 Angestellten nachdenken müssen, sagt Dieter Kühl von der Firma Nehslen. Auch beim Verwerter „Brügesch“ spricht man davon, daß Entlassungen bei geringeren Einnahmen „zwangsläufig“ seien.

Die Zwangsvollstreckung der 5-Millionen-Forderung ist für die BEB nach Meinung von Gerhard Schreve-Liedtke aber keine Alternative: Denn wenn ein Schuldner damit anfange, ständen die anderen bald Schlange. Und beim Konkurs könnten die BEB ihre Forderungen in den Wind schreiben. Dabei ist es rechtlich bisher ungeklärt, ob die BEB dem Dualen System die Schulden einfach so stunden können. Zwar arbeiten die Müllmänner als Eigenbetrieb auf eigene Rechnung, aber laut Haushaltsrecht müssen einer solchen Stundung der Umwelt- und der Finanzsenator zustimmen. Jürgen Hartwig vom Finanzressort ist über die erforderliche Stundung zwar noch nicht offiziell informiert, meint aber, dafür müßten zuerst die Konditionen geprüft werden. „Wenn die verantwortbar sind, bestände voraussichtlich keine Einwände gegen die Stundung“, sagt er. Berechnet würde die finanzielle Seite, aber auch das Kosten/Nutzen-Verhältnis.

Darauf sieht auch das Umweltressort. „Es spricht einiges für Nichtstundung und das gerichtliche Eintreiben der Schulden“, sagt Uwe Lahl, „denn was man hat, das hat man.“ Aber daran das DSD (Lahl: „Abkürzung für 'Das Ständige Debakel'“) scheitern zu lassen, das wolle er auch nicht. Die Entscheidung über die Stundung, so Lahl, werde in ein bis zwei Wochen fallen. Lautes Zähneknirschen überall, aber niemand möchte dem DSD im Angesicht der Müllberge jetzt den Todesstoß versetzen. Bernhard Pötter