■ Mit dem Stahlpoker auf du und du
: Rexrodts Erpressung

Berlin (taz/dpa) – Um dreißig Prozent muß die Europäische Stahlproduktion zurückgefahren werden. So hat es die EG- Kommission angeordnet. Aber die zuständigen EG-Minister kommen einer Lösung dieser Aufgabe seit Monaten keinen Schritt näher. Sie feilschen um Subventionen, mit denen überflüssige Stahlwerke doch noch gerettet werden sollen.

Für den neusten Höhepunkt dieses Pokers um nationale Sonderinteressen sorgte am Dienstag Bonns Wirtschaftsminister Günter Rexrodt mit einer schlichten Erpressung: Deutschland, so der Freidemokrat, werde weiteren Sanierungskonzepten für italienische und spanische Stahlkocher nur zustimmen, wenn die Europäische Gemeinschaft ihrerseits bereit sei, die Eko-Stahlwerke in Eisenhüttenstadt zu unterstützen.

Rexrodts deutscher Parteifreund Bangemann, Industriekommissar der EG, soll bei diesem Vortrag die Contenance verloren haben. Die Deutschen, schimpfte Bangemann nach der Sitzung, seien zur Zeit dabei, die gesamte Stahlsanierung zu blockieren. Insbesondere droht an Rexrodts Sonderwünschen das von der Kommission entwickelte Konzept für die italienische Riva- und die spanische CSI-Stahlgruppe zu scheitern. Das Kommissionspapier gestattet den Regierungen Subventionen für Stahlstandorte, wenn zugleichKapazitäten stillgelegt werden. „Eine gute Arbeitsgrundlage“, fanden vor allem die britischen, dänischen und niederländischen Delegationen, und wollen diesen sanften Ausstieg nicht mit dem Aufbau neuer Kapazitäten in Ostdeutschland konterkarieren.

Auf eine solche Vereinbarung möchte sich Rexrodt jedoch auf keinen Fall einlassen. Die Treuhand sucht Investoren, die in Eisenhüttenstadt weiterhin Stahl produzieren; Favorit ist der italienische Riva-Konzern, der eine hochmoderne Anlage für zukunftsträchtige Gußstähle bauen möchte – mit deutscher Finanzhilfe. Ohne solche Zusagen sei die DDR- Altlast nicht zu retten, sagt Rexrodt, und ließ im Sitzungsprotokoll ausdrücklich vermerken, er halte sich „alle Optionen“ für Eisenhüttenstadt offen.

Wettbewerbskommissar Karel van Miert wies umgehend darauf hin, daß in der nächsten Ministerrunde wohl über den Abbau italienischer Kapazitäten erneut diskutiert werden müsse: eine „Gretchenfrage“, so van Miert, die vor Rexrodts Intervention weitgehend geklärt war. Aber auch 72 Millionen Mark für das sächsische Edelstahlwerk Freital liegen vorerst auf Eis: Ohne Einigung über das Gesamtpaket will die Kommision diese Bonner Hilfe nicht freigeben. nh