Heißa, ein neuer HSV ist da

■ Betrachtungen zur fußballerischen Renaissance des hanseatischen Renommiervereins

Okay, der Hamburger SV ist auf dem zweiten Platz der Fußballbundesliga und nur die Frankfurter Eintracht befindet sich einen Olymp darüber. Gut, der HSV lockt wieder Zehntausende in die unwirtliche Betonschüssel am Bahrenfelder Volkspark, in der die Heimspiele ausgetragen werden. Einer junge ambitionierten Mannschaft kann man seit Beginn dieser Spielzeit dort bei der Arbeit zusehen, ohne das einem das Gefühl beschleicht, den Turnübungen einer leicht siechen Frührentner-ABM beizuwohnen, wie es noch vor etwa einem Jahr der Fall war. Einen jungen, sympathisch wirkenden Trainer, gibt es zudem noch zu betrachten, dabei, wie er die offenbar verdienten Früchte seiner Arbeit erntet. Heißa, sogar ein angehender Superstar ist da. Der Ivan, der Ivanauskas, das 1,3 Millionen-Schnäppchen. So einer zum anfassen, für die Fans und so. Einer, der trotz kreatürlicher Verwandschaft zu Kopfballungeheuer Horst Hrubesch so gar nicht „Hotte“-gleich in der Lage ist, sich mit der Behendigkeit und dem Willen einer Büffelherde auf Nahrungssuche durch die gegnerischen Abwehrreihen zu tanken. Dann ist noch einer da, den können nur echte HSV-Fans vereehren. Ohne falsche und auch irgendeine andere Form vom Bescheidenheit versteht es Michael Kostner aufs vorzüglichste, im gegnerischen Stadion zu polarisieren. Man ist also wieder wer, wenn man die blau-weiß-schwarze Vereinsfahne aus dem Keller holt, entstaubt und sich gen Volksparkstadion aufmacht.

Bestätigt fühlt sich jetzt auch Vereinspräsident Jürgen Hunke. Nun erhofft er, der laut eigenem Wehklagen so lange für die Presse den Prügelknaben darstellen mußte, die Streicheleinheiten, die ihm, den HSV-Sanierer, so lange verwehrt geblieben sind. Doch worin liegen eigentlich seine Verdienste? Darin vielleicht, daß er Schmalhans zum Küchenmeister gemacht hat, sich stets für die wohlfeilen Problemlösungen eingesetzt hat, die schlußendlich auch dazu führten, daß vor einem Jahr der damalige Co-Trainer Benno Möhlmann in den Stand des Cheftrainers erhoben wurde. Sein eigentlicher Verdienst ist ein anderer. Der Erfolg kam nämlich erst dann an den Rothenbaum zurück, als Jürgen Hunke es einem anderen überließ, sich um die Belange des Fußballs im Verein zu kümmern. Er sich also vollends aus dem tagesaktuellen Fußballgeschehen zurückziehen konnte, um sich gänzlich seinen politischen Anliegen wie dem Erhalt des Sportgeländes am Rothenbaum oder seinen Wolkenkuckucksheimen, wie die Umstrukturierung des Clubs in ein Fußball-Unternehmen der Unterhaltungsbranche, zu kümmern. Seitdem Manager Heribert Bruchhagen als Manager das Zepter in der Geschäftsstelle schwingt, ist auch ein Wandel im Stadion zu spüren. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen ultranationalistische Insignien, wie die schwarz-weiß-rote Fahne ungestraft im Stadion geschwungen werden durfte. Vorbei auch die Zeiten, in denen adaptierte NPD-Sprüche (“Ich bin stolz ein echter HSV-Fan zu sein“) auf HSV-Aufnähern über den offiziellen Fanartikelvertieb erhältlich waren. Ein klares Statement gegen Rassismus im Stadion kann man ihm zwar noch nicht entlocken, dennoch aber hoffnungsfroh sein, daß diese Maßnahmen nicht ausschließlich der Imagepflege dienen. Dann nämlich könnte man wirklich jubelieren über den HSV 1993/94 und zwar politically correct.

Kai Rehländer