Liebe, Leid und Schwestermord

■ Hammoniale: Die estnische Philologin Maimu Berg stellte in „Irrlichter“ die finnische Schriftstellerin Aino Kallas vor

Von manchen wurde sie als Schriftstellerin des Sterbens bezeichnet, da es laut einer merkwürdigen Statistik mehr als 100 Tode in ihrem Werk gebe. Die Rede ist von der finnischen Schriftstellerin Aino Kallas, die den Großteil ihres Lebens in Estland lebte und 1956 in Helsinki starb.

Die estnische Philologin Maimu Berg befaßte sich intensiv mit dieser Autorin, die lange in der Literaturgeschichte nicht beachtet wurde. Im Rahmen der Hammoniale stellte sie gestern unter dem Titel Irrlichter auf Kampnagel ihre Sicht der Aino Kallas vor.

In ihrem Roman setzt sie sich auf zwei verschiedenen Ebenen mit der verstorbenen Autorin auseinander: aus Kallas' Werk übernimmt sie die literarische Frauenfigur aus der estnischen Geschichte des 16. Jahrhunderts. Zugleich reflektiert sie das Verhältnis der Kallas zu ihrer Romanfigur.

Für Maimu Berg ist Aino Kallas eine Schriftstellerin der Liebe, die in ihren Romanen und Erzählungen jedoch immer mit dem Tod endet. Die leidenschaftliche und zugleich tragische Liebe zu einem finnischen Kollegen hat Kallas immer wieder in ihrem Werk verarbeitet.

Maimu Berg, die sich in ihren Kurzgeschichten und Erzählungen mit der Rolle der Frau beschäftigt hat, begegnete der Kallas schon in ihrer Jugend. Der Direktor ihrer Schule war Oskar Kallas, der Mann der Autorin. Sie las die veröffentlichten Tagebücher der Literatin und träumte von den in ihren Romanen geschilderten leidenschaftlichen Liebesgeschichten. In dem Roman Maimu Bergs ist in die Figur der Barbara von Tisenhusen, die einen Mann von niederem Stand liebte, mit ihm flüchtete und dafür von ihren Brüdern ermordet wurde, die Persönlichkeit Aino Kallas' miteingeflossen. Dadurch ist eine interessante Heldin entstanden, die in ihrer Auflehnung gegen die traditionelle Rolle der Frau eine Verbindung zu der finnischen Schriftstellerin und der zeitgenössischen estnischen Autorin Maimu Berg herstellt.

Babette Schröder