Zerklüftete Schönheiten

■ Hammoniale: Die Sinfonia Lahti spielte nordische Orchestermusik

Geizig waren sie nicht. Die Debütanten aus dem finnischen Lahti führten in der Musikhalle ihr symphonisches Können vor: Mit sechs ausgewachsenen Konzert- und Orchesterstücken zogen die hierzulande noch unbekannten Finnen (fast) alle Register ihres Könnens.

Mit der hübschen Helios-Ouvertüre des Dänen Carl Nielsen wurde der nordische Abend eröffnet. Die Lahtis hatten eine Primadonna, allerdings keine aus Lahti, mit nach Hamburg eingeladen. Mit der Sopranistin Karita Mattila wurden zwei Werke erarbeitet - Griegs Vier Frauenlieder und Sibelius' Luonnotar.

Die „Mattila“ ist keine Debütantin mehr, sie singt an allen großen Bühnen der internationalen Opernwelt mit großem Erfolg. Als Opernstar schwebte sie denn auch mit einem bonbonroten Galakleid, das eine interessante Mixtur aus Las Vegas-Glamour und elisabethanischem Drama vorstellte, auf die Bühne. Frau Mattila sang für ein Opernpublikum, dramatisch und inszeniert. Die beinahe kammermusikalische Intimität der Vier Frauenlieder von Edvard Grieg litt hörbar darunter; Solveigs Lied blieb irgendwie im Niemandsland zwischen Kammermusik und großer Arie liegen. Nach der Pause sang Karita Mattila Siblius' Luonnotar (Die Tochter der Natur).

Aus dem Gewirr der symphonischen Mitbringsel ragten jedoch besonders zwei Werke hervor: Die 7. Sinfonie von Jean Sibelius und Kaija Saariahos Orchesterwerk Verblendungen. Auf den ersten Blick zwei Kompositionen, die sich nicht viel zu sagen haben. Kaija Saariaho, Jahrgang 1953, gilt neben Magnur Lindberg als phantasievollste Komponistenpersönlichkeit finnischer Gegenwartsmusik. Ihr 1984 abgeschlossenes Orchesterwerk Verblendungen bildet den Beginn ihrer orchestralen Klangsuche, die den Einsatz digitaler Kingsynthese geradezu poetisch umzusetzen versteht. Hier begegnet Kaija Saariaho sodann ihrem großväterlichen Kollegen Sibelius. In Sibelius 7. Sinfonie entfalten sich Gedanken voller Wärme und naturbelassener Schönheit, die sich im einsätzigen Netzwerk dieser Sinfonie organisch wachsend zu einer Vision von Vollendetheit verdichteten.

Zu guter Letzt: Finnlands heimliche Nationalhymne Finlandia von Sibelius läßt kein Orchester erkalten. Die so melancholisch dreinblickenden Finnen ließen das Blech schmettern, die Streicher schluchzen, so als gelte es ein zweitesmal, den finsteren Feind aus der geliebten Heimat zu verscheuchen. Stürmischer Beifall für ein kleines Orchester mit Charakter und ihrem aufmerksamen Dirigenten Osmo Vänskä, der sich als talentierter Sibelius-Interpret auswies.

Sven Ahnert