Ratten sind Feinschmecker

■ Locken Komposthaufen Ratten an? / Essensreste gehören nicht auf den Kompost

Eine Ratte pro Einwohner, lautet die Volksweisheit. „Das ist nicht bewiesen“, sagt Ute Zolondek, Sachgebietsleiterin für Umwelthygiene beim Hauptgesundheitsamt. Eines aber ist sicher: In den letzten Wochen hat sich die Rattenpopulation in Bremen erheblich reduziert: Viele ersoffen in den wegen des Dauerregens bis unter die Gullies gefüllten Kanälen. Und noch eines weiß die Rattenexpertin: Komposthaufen vermehren die Zahl der Ratten nicht, sie machen die Ratten nur sichtbar. Das aber nur dann, wenn auf dem Komposthaufen gekochte Essensreste liegen. Gekochte Kartoffeln, gar Fleisch, finden die Ratten nämlich weit attraktiver als die durch die Abwässer angeschwemmten „Lebensmittel“ in den Kanälen.

Um besorgte BürgerInnen zu beruhigen, luden gestern die Bremer Entsorgungsbetriebe zusammen mit dem Hauptgesundheitsamt zum Informationsgespräch über die Vorlieben der „Schadnager“. Deutlich wurde dabei: Ratten sind überall, wo Menschen sind — eine rattenfreie Stadt gibt es nicht. Und: Ratten mögen alles, was Menschen auch mögen: Viel lieber als rohes Gemüse essen sie deshalb weichgekochtes.

Zwar haben dieses Jahr rund 38.000 EigenkompostiererInnen einen Müllgebührennachlaß beantragt, doch die Rattenbekämpfungstruppe des Gesundheitsamtes mußte nicht öfter ausrücken. Im Schnitt wird diese Truppe bis zu 2.000 mal im Jahr gerufen, um Köder mit einem Blutgerinnungshemmer auszulegen. Meist sind kaputte Kanäle die Ursache für das Auftreten von Ratten.

Wer gar kein Risiko eingehen will, kompostiert am besten in einem rattenfesten, geschlossenen Komposter. Der ist allerdings nicht ganz so „fehlertolerant“ wie ein offener Haufen. Wird er zu feucht, kippt er um, die Abfälle gären und beginnen zu stinken. Abhilfe schafft die Durchmischung mit Trockenmaterial wie Eierkartons oder vertrockneten Ästchen. Manch unerfahrener Kompostierer gibt nach den ersten Versuchen auf, nur wenige wenden sich an die 14 Abfallberatungsstellen der BEB, klagt Reinhard Holtin. Geplant ist, künftig den Anträgen auf Gebührennachlaß eine kurze Gebrauchsanweisung fürs Eigenkompostieren beizulegen. Holtin warnt davor, Fettabfälle statt auf den Kompost in die Toilette zu kippen: Damit werden die Ratten genauso gefüttert. Essensabfälle gehören in die Restmülltonne, oder, wenn schon vorhanden, in die Biotonne.

Mäuse übrigens werden nicht bekämpft vom Gesundheitsamt: Sie übertragen schließlich nicht, wie die Ratte dies über den Rattenfloh tut, Krankheiten wie die Pest. Das Bundesseuchengesetz schreibt nur die Bekämpfung von Ratten vor. Allerdings, so Ute Zolondek, ist die Ratte als Krankheitsüberträger derzeit kein Thema. „Die Ratte trägt eben einen bestimmten Mythos mit sich herum.“

Die Bekämpfung von Mäusen hätte auch wenig Sinn: Die „naschen“ nur am Köder, fressen sich nicht richtig voll. Der Köder könnte gar nicht wirken. Allerdings stirbt auch eine Ratte nicht sofort nach Genuß der Haferflocken. „Wenn die Ratte unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme verendet, ist das eine Erfahrung, die die anderen Ratten in der Gruppe verarbeiten können; sie würden keine Haferflocken mehr anrühren.“ Trick des Gesundheitsamtes: Die Flocken enthalten nur wenig Gift, die Ratten siechen dahin, sterben irgendwann — scheinbar an Altersschwäche.

Damit keine Verwechslungen stattfinden, sind die Haferflocken knallhellblau gefärbt, in einem Säckchen verpackt und — im Freien — in einem grünen Holzkästchen versteckt, in das auch streunende Katzen nicht hineinkommen. Im öffentlicehn Grün werden allerings nur selten Köder ausgelegt — regelmäßig allein in den Wallanlagen, wo die Menschen mit den Enten nämlich zugleich die Ratten durchfüttern. cis