Schläft ein Lied in allen Puppen

■ Nächste Woche beginnt im Theatrium das 10. bremische Festival des Figurentheaters

Daß ein Lied in allen Dingen schlafe, ist ein unaustilgbarer Glaube, zumal ihn die Puppenspieler jederzeit beweisen können. Nehmen wir nur den Gilbert Meyer (Foto), der aus Sand, Stroh, Teig, Wasser und allerlei Klangmaschinen das ganze schreckliche Theater des Dreißigjährigen Krieges herzustellen fähig ist: Seine Puppenfassung des „Simplicissimus“ ist uns als ein Höhepunkt des diesjährigen Puppentheaterfestivals verheißen.

Mindestens sechs Stunden muß Meyer basteln, ehe er die winzige Bühne seines „Theatre Tohu-Bohu“ mit all ihren ausgetüftelten Objekten überhaupt in Betrieb nehmen kann. Andere müssen nur ihr Ensemble aus dem Koffer nehmen wie etwa der große Eric Bass, der auch heuer wieder mit seinem „Sandglass Theatre“ beim alten Spezi Detlef Heinichen vorbeischaut, den Ruhm zu ernten, der ihm zukommt. Oder wie der Frieder Kräuter (!) aus Gernsbach mit seinem „Figurentheater Gugelhupf“ (!), der während des Umtreibens all der Figuren für seine „Bettleroper“ auch noch die Musik selber macht.

Heinichen, der Betreiber des „Theatriums“ im Packhaus, hat für sein 10. Festival ausnahmsweise echtes Geld gekriegt, nämlich 15.000 Mark statt der üblichen 7.000 Mark Anerkennungsprämie. Es reicht für 13 Vorstellungen von neun Stücken aus der internationalen Puppenspielerei. Neben dem mit allen Preisen behängten Bass wird da zum Beispiel das „Tiezhi Mu'ou“-Theater aus dem südlichen China zu sehen sein, allwo noch alle Macht von den tausendjährigen Regeln des Mysterienspiels ausgeht: Da wandeln also in uneinnehmlicher Eleganz die Marionetten an ihren Stäben einher und vollführen Szenen aus der Tradition der großen

hierhin bitte

den Puppenspieler

Gilbert Meyers „Simplicissimus“Foto: Archiv

„Chao“-Oper, wie sie war, ist und sein wird immerdar.

Ganz anders die Feuerköpfe des modernen Puppentheaters,

welche es sogar verschmähen, traditionsgemäß aus dem Verborgenen zu wirken: Mitten im Geschehen fuhrwerken sie herum mit Halbkostümen und Teilobjekten und allerhand Hin und Her, daß man kaum mehr weiß, was noch Puppe ist und was schon Mensch. „Diese halboffene Spielweise ist der Trend“, sagt Heinichen, „Illusionen ja, Geheimnisse nein.“

Der Trend geradenwegs weg vom Hergebrachten regiert auch das Festival, welches also, neben einigen Kindersachen, eine Menge zeimlich erwachsenes Theater bietet. Obwohl, sagt Heinichen, er sich schon auch erträumen könnte, einmal eines zu machen, wo nur die alten internationalen „Volkshelden der Puppenbühnen“ einander aufs Zeitgemäßeste begegnen, vom alten Pritschenkasperl bis zu Punch & Judy. schak

Von 5. bis 10. Oktober; ein Spielplan wird auf Wunsch zugeschickt. Tel. 32 68 13.