Keine Alternative zum Kiez

■ Betrachtungen zu St. Georg als szeneastisches Vergnügungsviertel

Der Abgesang in diversen Stadtzeitungen ist längst erfolgt. Der Kiez hat seinen Reiz verloren, heißt es unisono. Die ersten Diskotheken, die anfangs noch vom Standort St. Pauli profitiert haben, wie etwa das Unit, ziehen weg, spektakuläre Neueröffnungen bleiben aus. Trotzdem, ungeachtet der Trendbemühten dieser Stadt, allsonabendabendlich immer noch die gleiche Szenerie: Menschenmassen flanieren über die einst berüchtigte Meile, um je nach Fasson, in leicht versyphten Szenetränken oder aber in Sterzinger-Pseudoschick-Läden abzustürzen. Mangels Alternativen.

Seit Mitte der 8Ts ist es nun schon St. Pauli, das das vergnügungssüchtige Jungvolk anzieht. Zu lange also, um noch trendy zu sein. Davor war die Gegend um den neuen Pferdemarkt Ort hanseatischen Nachtlebens und es wird von Zeiten berichtet, in denen Eppendorf einmal Spielwiese der Jugendkultur gewesen sein soll. Prädistiniert für die Nachfolge St. Paulis erscheint ein anderer Stadtteil, der ebenfalls seinen Namen einem Heiligen entleiht: St. Georg, das Bahnhofsviertel also.

Die Voraussetzungen sind scheinbar günstig: Gute Verkehrsanbindungen, eine hohe Kneipendichte und durch gleichzeitige Alster- und Hauptbahnhofsnähe bedingt ein sehr ambivalenter Stadtteil. Sehr gut das Angebot für die Schwulenszene, die sich in den letzten 20 Jahren in St. Georg ein Refugium geschaffen hat und auch gastronomisch, etwa durch den wohllöblichen Apfelstrudel im Cafe Gnosa in der Langen Reihe, den Stadtteil belebt.

Weniger gut, die Möglichkeiten für vergnügungssüchtige Heten. Die Diskotheken sind fest in schwuler Hand. Die meisten Kneipen sind entweder ultraordinäre Eckkneipen oder es dominiert der Siebziger-Jahre-Holztischcharme.

Dort, wo St. Georg etwas schicker ist, in Alsternähe also, haben sich unterdes etwas anspruchsvollere Läden etabliert. Etwa das Cox in der Greifswalder Straße. In einem nüchternen Ambiente gibt es anspruchsvolle Küche zu gemäßigten Preisen. Überzeugen konnte der Kaninchenrücken und auch die Weinkarte war vielversprechend. Doch solcherlei Lichtblicke gibt es auch in anderen Stadtteilen.

Mithin gibt es, solange sich nichts am Kneipen-und Diskothekenangebot in St. Georg ändert, keinen Grund, den Kiez zu meiden.

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