Der eigentliche Skandal -betr.: "An den Grenzen der Kunst", taz vom 4.12.93

Auch ich halte den Film „Beruf Neonazi“ für mißlungen, sogar für propagandistisch. Für den eigentlichen Skandal halte ich jedoch anderes: daß dieser Film der Filmförderung in Brandenburg als besonders förderungswürdig erschien. Die Diskussion sollte daher m.E. nicht auf die Frage einer Zensur zielen, zumal der Film bereits in zahlreichen Kopien kursiert, sondern auf den Mangel an Kriterien für die Filmförderung, den die Filmschaffenden offensichtlich selbst zu verantworten haben. Auch das Hamburger Filmbüro scheint überrascht und überfordert zu sein von dem akutellen Eklat. Der notwendige Diskurs über Verantwortung ist über die Jahre schlicht der ökonomischen Konkurrenz zum Opfer gefallen. Jetzt, plötzlich öffentlich gefordert, herrscht nicht einmal darüber Konsens, wie man eine solche Debatte überhaupt führen kann. Hier wird ein Problem sichtbar, das die Auseinandersetzung auch in anderen Bereichen der Medien kennzeichnet, heillose Indifferenz gegenüber gesellschaftspolitischen Problemen, weitreichender Mangel an gesellschaftlicher Analyse und Subjektivismus im Umgang mit moralischen Fragen. Die Indifferenz und der Populismus vieler Intellektueller ziehen philosophische, ästhetische und politische Konzeptionen nach sich, deren Grenze zu genuin faschistischen Konzepten nicht immer mehr auszumachen ist. Sich mit derartigen Problemen kollektiv auseinanderzusetzen, halte ich für die vordringliche Aufgabe auch des Hamburger Filmbüros. Staatliche Zensur zu fordern ist grundsätzlich problematisch. Was jedoch jeder Institution der Filmförderung zusteht, ist, ihren Rest an Autonomie dahingehend zu nutzen, bestimmten Filmen eine Förderung nicht zukommen zu lassen, etwaige Vetorechte in Bezug auf den Verkauf von Filmen o.ä. in Anspruch zu nehmen. Derartige Entscheidungen setzen jedoch intern eine konsensbildende Debatte im oben angedeuteten Sinne voraus.

Axel Krause