Mobbing: „Wer viel schluckt, muß auch viel kotzen“

■ Ein Jahr Beratungstelefon in Hamburg / Opfer müssen Gegenwehr lernen / Rezession ein Grund für das unkollegiale Verhalten Von Tammo Löffler

Wer hat es nicht schon mal am eigenen Leib erfahren? Am Arbeitsplatz werden KollegInnen gepiesackt, es wird gestichelt, getratscht, gegrabscht. Belästigung hieß das früher, heute auf neuhochdeutsch kurz: Mobbing. Vor einem Jahr haben sich die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) zusammengetan und für Betroffene die Beratung am Mobbing-Telefon geschaffen. Nun zieht eine hausinterne Untersuchung eine erste Bilanz über Mobbing am Arbeitsplatz.

Allein im ersten halben Jahr haben die MitarbeiterInnen 500 Telefonate entgegengenommen. Udo Möckel vom KDA beschreibt Mobbing als „altes Übel“, das jeder kenne: „Wenn eine Person über längere Zeit gepiesackt wird, etwa ein halbes Jahr lang und dies mehrmals die Woche, so daß dieses Verhalten von Kollegen oder Vorgesetzten schließlich eine Krankheit oder sogar die Kündigung nach sich zieht, dann ist das Mobbing.“

Als Beispiel führt „Konfliktberater“ Möckel das Einstellen der Kommunikation mit bestimmten MitarbeiterInnen an. „Wer nur noch ,Guten Morgen' und ,Auf Wiedersehen' zu hören kriegt, wird bewußt isoliert“, konkretisiert Möckel das Problem. Der Mobbing-Fachmann weiß auch, warum die Anmache an den Arbeitsplätzen zunimmt: „Wegen der Rezession sollen die schwächsten MitarbeiterInnen vielfach rausgeekelt werden“, ärgert er sich. Der Verdrängungswettbewerb am Arbeitsplatz sei so groß und unfair wie nie zuvor, so Möckel.

Ganz ähnlich sieht es auch Ulla Dick, Diplom-Psychologin in Diensten der AOK: Die Zunahme von Mobbing am Arbeitsplatz passe durchaus in das Bild wachsender Gewalt in unserer Gesellschaft. Das Opfer sei immer das schwächste Mitglied der Gemeinschaft, meint Dick. „Wir raten den Betroffenen, selbst aktiv zu werden. Wer sich immer als Opfer empfindet, wird ein Leben lang Opfer bleiben.“

KDA-Mann Möckel rät, sich nichts von seinen KollegInnen oder Vorgesetzten gefallen zu lassen. Denn „Wer viel schluckt, muß auch viel kotzen“, formuliert er. Der Anruf beim Mobbing-Telefon sei nämlich nur der erste Schritt. In Wochenendseminaren werde bei sogenannten Klimagesprächen das Selbstwertgefühl der Betroffenen systematisch durch Rollen- oder Theaterspiele wiederaufgebaut, erzählt Möckel über den weiteren Umgang mit den Ratsuchenden. Oftmals werde auch an Institutionen verwiesen, die dann weiterhelfen könnten. Psychologin Dick bringt es so auf den Punkt: „Der Betroffene muß lernen, für sich selbst zu kämpfen.“