Blinde Borstentiere

■ St. Pauli erkrampfte sich mit einem 1:1 gegen Mannheim den zweiten Saisonpunkt Von Andreas Dey

„Schweineherbst“ – Phantasiewort oder Programm? Die Jahreszeit der fallenden Blätter steht vor der Tür, und am Dach der Haupttribüne des Wilhelm-Koch-Stadions, Heimat des FC St. Pauli, kündigt sich schon an, wie diese aussehen könnte. Zwar handelt es sich bei dem Slogan um Werbung für die neueste Slime-CD, doch die Prophezeiung könnte – nach einem Blick auf die Tabelle – ebensogut den Pauli-Fans entfleucht sein.

Auch die Assoziation mit den Borstentieren ist, angesichts des oft unkontrollierten Gesuhles der Ak-teure auf dem Millerntor-Geläuf, nicht zu weit hergeholt – erst recht nicht bei den drohenden Matschwetterpartien. Doch bevor die Sauerei wieder richtig losgeht, wollten die Paulianer im Rahmen der allmontäglichen Dieter-Schlindwein-Foult-Show Waldhof Mannheim vom Noch-Zierrasen schießen. Außerdem sollte das erste Saisontor her, der erste Sieg, das erste gute Spiel, der erste nicht floskelhafte Kommentar von Trainer Uli Maslo nach Spielschluß.

Daß nur die erste dieser Vorgaben durch ein flaues 1:1 erfüllt wurde, lag, so der FC-Übungsleiter, am „starken Gegner“. Dessen Coach, Uli Stielike, stufte das Leistungsniveau seiner Waldhöfer mit „wir waren nicht existent“ schon realistischer ein. Allerdings fiel sein Lamento ob der spärlichen Darbietungen etwas arg abwertend aus. Vielleicht sollte ihn Pierre Littbarski wie anno 1982 beim WM-Elferschießen gegen Frankreich mal wieder tröstend in den Arm nehmen: „Macht nichts Uli, das Leben geht weiter“.

Einigkeit herrschte bei den Trainer-Ulis nur bezüglich der Aufstiegschancen: „So nicht!“ Es war schon bedenklich, daß die einzigen Treffer (und Chancen) des Spiels krassen Fehlentscheidungen Schiedsrichter Wiesel entsprangen. Scharpings gurkigem 1:0-Strafstoß ging kein Foul an Hollerbach voraus, wohl aber dem Ausgleich ein solches an Scharping. Was soll's? Die ausgleichende Unfähigkeit des Unparteiischen sorgte wenigstens für zwei Höhepunkte. Ohne Schiris Hilfe hätten allenfalls die Fangnetze und Banden hinter den Toren gewackelt.

Apropos Banden: Da inzwischen fast alle Werbeflächen verkauft sind, keimt Hoffnung, daß eingedenk der sich füllenden Pauli-Kasse zukünftig auf die nervigen Pausenclowns des Heideparks verzichtet werden kann. Der Stimmung auf den Rängen wäre es sicher zuträglich, denn weder scheinen die FC-Fans auf lebensgroße Happy-Hippos zu stehen, noch ist ihr Talent zur Selbstunterhaltung gänzlich flöten gegangen. Wie Montag gesehen, reicht es immer noch zum Wunsch nach Wippen, tollen „Jippie-Yeah“-Gesängen und kreativen Beschimpfungen des Schiedsrichters („Du Ochse!“).

Vielleicht war die gegenüber dem Auftaktspiel leicht verbesserte Stimmung auch auf die erbärmlich niedrige Zuschauerzahl von 11.343 zurückzuführen. Erfahrungsgemäß sind die diesmal daheimgebliebenen, weil DSF-guckenden Modepaulianer nicht gerade die Party-Anheizer. Dementsprechend gab's auch kein Pfeifkonzert, denn die genügsamen Treuen hatten wenigstens die elementaren Bestandteile eines befriedigenden Heimspiels geliefert bekommen: Kampf und Einsatz.

Dazu gehörte natürlich auch eine zünftige Boxeinlage von Heißdüse Bernd Hollerbach, die dankend, weil kurzweilig, angenommen wurde. Der passend kurz vor Schluß einsetzende Regen komplettierte den tristen Kick. Immerhin veranlaßte er den smarten Herrn in Reihe 12 des Kuchenblocks zu einem nützlichen Tip an Jürgen Gronau: „Stell dich unna, wirs' nich' naß“.