■ Filmstarts à la carte
: Der Nachbar als found object

Was ich am Eiszeit-Kino so liebe ist, daß sie zugleich Fans und absolut loyal sind: sie legen keinen Wert auf prodesse et delectare, jedenfalls nicht in dieser Reihenfolge, sondern sie mögen einen Regisseur oder einen Keitel, und wenn sie mit dem Mögen mal so richtig angefangen haben, dann können die ruhig mal was in den sogenannten Sand setzen, das macht nicht nur nichts, sondern gar nichts, und im Gegenteil tut eine Portion Trash dem Ansehen sehrrrr guttt, und der Name adelt dann selbstverständlich (eine Freundin von mir, die sonst überhaupt gar keinen Sprachfehler hat, sagt immer „selbst-verss- tändlich“, komisch, was?) auch noch das gesunkenste Schiff.

So ungefähr verhält es sich vielleicht mit old man Carpenters letztem Film „Mächte des Wahnsinns“, den ich persönlich sogar mochte irgendwie, aber den halt Menschen, die von Anfang an auf Carpenters Seite waren, als absolut titanic-haftes Unternehmen sehen (ich darf auf unser Daumenkino vom vergangenen Donnerstag verweisen).

Weil die Eiszeitler das insgeheim auch so sehen, aber ihrem Mann eben trotzdem die Treue halten, zeigen sie ihm und uns, wofür er mal gut war und nun noch immer geliebt wird wie Eiszeitler eben lieben. Assault on Precinct 13 ist die Geschichte einer Gang-Rache, die mit maschinell betriebener Wut auf ein Polizeirevier losgeht, in dem nur noch eine Policewoman und ein Policeman verblieben sind, und diese Eltern wieder besseres Wollen und Können erleben nun Stunden des Terrors.

Warum? Wer weiß. Ein Mann hat einen von ihnen zernichtet, nachdem seine kleine Tochter ermordet worden war, und so ist es nur recht und billig, wenn anschließend die Hölle losbricht. Ich vergaß: es sind noch zwei arme Sträflinge auf dem Precinct, sie sollen nach Salinas in die Todeszelle, aber werden sie jemals dort ankommen?

Billig in jeder Beziehung ist auch Dark Star, Carpenters kleiner Wurf in Richtung „2001“. Die Männer sitzen und sehen sich ihre Tagebücher auf Video an, was ganz hübsch ist, aber irgendwann den – logischerweise weiblichen – Bordcomputer düpiert (auch ich hätte es nicht hübsch gefunden auf Dauer und auf die delete-Taste gedrückt), und so heißt es „the spaceship conks out“. Wenn das nicht das Schönste ist, was Sie jemals über ein Raumschiff gehört haben, können Sie sich an der Rezeption einen Nasenstüber und ein ts,ts,ts abholen.

Wirklich ergreifend an Carpenters Filmschaffen waren wohl nur sein erster Film und Halloween, der hier ebenfalls gezeigt wird. Die irrlichternden Kürbisse unter dräuend blauem Nachthimmel, die Büsche, die wie riesengroße Schamhaar-Konglomerate wirken, die Cremedöschen und Teenager-Schminktäschchen – alles ist bedrohlich, die Gegenstände leben, die Lebenden werden zu found objects, wer jetzt keinen Schutz hat, wird ewig ohne bleiben, und das Böse wird auch nicht mehr weggehen, wenn du erst mal siebzehn bist.

Das Problem bei 32 Variationen über Glenn Gould ist, daß hier versucht wird, aus den Goldbergvariationen eine musikalische Erzählung zu machen, nach Möglichkeit eine Erzählung über das arme Genie Glenn Gould, was natürlich aus Bach einen Märchenonkel und aus Glenn Gould einen selbstverliebten Deppen macht (eine lang ausgespielte Szene zeigt Gould beispielsweise bei Aufnahmen verzweifelt die Hände in die Höhe ringend, gewissermaßen mit der Muse hadernd ...).

Das ist beiden gegenüber höchst ungerecht, um nicht zu sagen frivol, und also ist der Film nur geschlossenen Auges zu ertragen, und ob man nicht besser zu Hause geblieben wäre, fragt man sich dann auch.Mariam Niroumand

Eiszeit: heut abend, heut nacht

Regenbogenkino: 2. 3.