Knacks vor dem Kadi

■ Wie schnell Glas brechen und wie teuer Fotokopieren kommen kann

Tausendmal kopiert - tausendmal ist nix passiert. Aber beim 1001. Mal, da hat es statt „Zoom“, wie Vorsitzende Richterin Dieterich onomatopoetisch demonstrierte, ohrenscheinlich „Knacks“ gemacht. Pech für den Bremer Lichtpausenmulti „Copy Right“: Eine seiner Filialen mußte nach dem fatalen Geräusch längere Zeit auf die treuen Dienste eines ihrer Hochleistungskopierer Océ 2450 verzichten. Pech aber erst recht für den Lehrer Werner Nickel: Weil er den Exitus des Geräts mitverschuldet haben könnte, muß er der Firma des Kopier-Königs Peter Gohlke nun 1500 Mark Schadensersatz zahlen.

Dabei ist der 51jährige Lehrer für Wirtschaft und Politik so etwas wie ein Meister seines Fachs. Eine Urkunde für 25 Jahre unfallfreies Kopieren hat der bezopfte Pädagoge zwar nicht überm Bett hängen, dafür aber ein „Copy Right“-Kopierabo im Portemonnaie. Seit etlichen Jahren ist er Stammkunde des Hauses und Dauervervielfältiger mit mehreren Hundert Kopien Jahresleistung. Im März indes endete die bis dahin für beide Seiten so gedeihliche Verbindung mit dem schon bekannten „Knack“-Geräusch. Der 526 Seiten dicke Wälzer „Die kaufmännische Betriebslehre“ aus dem Wuppertaler Verlag „Europa-Lehrmittel“ war dabei das corpus delicti: Als Nickel sanften Druck auf die Abdeckung und das darunterliegende Buch ausübte, barst das Auflageglas des Gerätes.

„Copy Right“-Geschäftsführer Peter Gohlke empfand derartige Sympathiebezeugungen Nickels als zu innig und verklagte den Pauker auf Schadensersatz. Doch das Amtsgericht schmetterte ihn ab - es könne, hieß es im Juli in der Urteilsbegründung, „nicht davon ausgegangen werden, daß eine andere Schadensursache als ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten ausscheidet“. Vielmehr sei, so das Gericht, „eine im Gerät bzw. der Glasplatte liegende Schadensursache nicht auszuschließen.“

Der Lehrer, froh über die Wiederherstellung seiner Ehre, freute sich – allerdings zu früh. Geriet er in der Berufungsverhandlung vor der 5.Zivilkammer doch an ein Fachfrauengremium, das sich schon zu Beginn als Kenner der Materie outete: „Wir sind alle Experten im Fotokopieren, uns können Sie nichts vormachen.“ Das Richterinnen-Trio empfand denn auch Nickels Druck auf die Glasplatte als „nicht-sachgemäße Handhabung“. Und die Einschätzung des Amtsgerichts als falsch – viel spreche nach Lage der Dinge dafür, daß „die Beweislast in diesem Falle beim Beklagten“ liege.

Da der über innere Krankheiten der Kopierkiste naturgemäß nur spekulieren und die Kammer trotz eigenhändiger Druck-Demonstration am juristischen Buch-Objekt nicht von der Harmlosigkeit seiner Handlungen überzeugen konnte, mußte er zähneknirschend dem vorgeschlagenen Vergleich zustimmen. Anderthalbtausend Märker plus 66 Prozent der Prozeßkosten für ein paar Seiten „Kaufmännische Betriebslehre“ - selbst für einen Lehrer ein teurer Spaß.

Kaum zu trösten vermag Nickel, der von der Entscheidung „Signalwirkung zum Nachteil weiterer Kunden“ erwartet, dabei das Mitgefühl des Gerichts: „Das Ganze ist offensichtlich sehr unglücklich verlaufen.“ Vielleicht tröstet ihn stattdessen ein wenig die kuriose Einmaligkeit seiner Sache: Ein gehimmelter Kopierer, gab Richterin Dieterich unumwunden zu, sei ihr in ihrer Laufbahn noch nie untergekommen... Holger Jenrich