Achsachmawardamahaardran?

■ Otto Waalkes in Bremen: Schniedelwutzwitze, jugendfrei / Der reife Otto ähnelt Freddie Quinn

Wenn Komiker erwachsen werden, beginnen auch sie, Wert auf Garderobe und Frisur zu legen. Otto Waalkes (inzwischen 46), trägt heute ein auf Taille geschnittenes Sakko und das Haar nicht mehr pisselig. Wenn Komiker zudem Männer sind, haben sie oft mit 46 ein Haarproblem. Darüber reden sie so: „Ich habe eine neue arabische Frisur, die heißt Achsachmawardamahaardran.“ Zehn Jahre sind seit der letzten Bühnenshow von Otto Waalkes vergangen. Gestern trat er in Bremen vor vollbesetzter Stadthalle auf. Es waren viele Kinder da, die vor zehn Jahren noch gar nicht auf der Welt waren.

Weil Otto klein ist, seine Show aber von seiner Mimik und kleinen Bewegungen seiner langen Finger lebt, stehen links und rechts von der Bühne Riesenbildschirme. Das hat den Effekt, daß jeder, der nicht ganz vorn sitzt, zum Fernsehzuschauer wird. „Live dabei sein“ bedeutet dann, daß man immer mal schnell überprüfen kann, ob der Film im Fersehn auch stimmt.

Am Anfang ist Otto noch nicht da. Über die Bildschirme laufen Witze, die das Publikum mitbuchstabiert („Ist Ihr Vordermann zu lang? Es gibt jetzt ein Vordermann-Ex“; „Wir begrüßen auch den Bischof mit Gattin“). Juchzen, Jubel. Otto geht auch ohne Otto.

Das vornehmste Interesse des Publikums aber scheint zu sein, daß man Otto huldigen möchte. Weil Otto das weiß, ist es für ihn kein Risiko, den Anfangsapplaus „wegen einer Fernsehaufzeichnung“ mehrfach zu inszenieren. Das Publikum, könnte man sagen, ist wie Butter in Ottos Hand. Es tut alles, was er verlangt: Es klatscht, schnalzt mit der Zunge, schlägt sich auf die Beine, singt „Hänsel und Gretel“ und läßt sich den Applaus verbieten („Es hat keiner was von Enthusiasmus gesagt!“). Als Gegenleistung gibt es knapp zwei Stunden Humor.

Die Unterkante von Ottos Humor wurde oben genannt (Otto ohne Otto). Zur Bezeichnung der Oberkante hier ein Zitat des Landesjagdverbandes Bayern, der sich in einer Protestnote an den „Stern“ wegen einer Jäger-Karikatur einmal so äußerte: „Grenzen des Geschmacks und der Ethik zu erkennen heißt nicht, ständig darauf zu balancieren.“ Otto präsentiert ein Familienprogramm. Er balanciert nicht. Mit seinem Repertoire bleibt er innerhalb des Geschmacks (nicht unbedingt des guten). Witze über den Schniedelwutz sind familienfähig. Tatsächlich besteht das Programm von Otto zu ca. 100 % aus Witzen über den Schniedelwutz.

Daß der Schniedelwutz etwas enorm Wichtiges ist, wissen heute schon Fünfjährige. Bis zum Alter von etwa 35 glauben das auch die Erwachsenen noch. Soviel zur Altersstruktur des Otto-Publikums. Schniedelwutz-Witze gehen so: „Verzaubert ist der Copperfield, wenn er an seinem David spielt.“ Oder so: „Als Lesezeichen dient Herrn Allen sein Woody an gewissen Stellen.“ Im Zentrum des Lachens steht der Schniedelwutz auch, wenn Otto Waalkes seine Erkennungsmelodie vorträgt: „Ich bin nur ein kleiner Friesenjung–, und ich wohne hinterm Deich.“ Das Lied handelt von einem „Eiffelturm“, den der Sänger einem Mädchen zeigen möchte.

Das Publikum dankt für jeden Schniedelwutz-Witz mit sogenannten Beifallsstürmen. Manchmal sind die Schniedelwutzwitze in einem Song versteckt, der einen geläufigen Schlager parodiert. Wenn langsame Stellen kommen, heben die Kinder im Publikum einen Arm und schwenken brennende Feuerzeuge. Ein aus der Hitparade bekanntes Lied, von einem bärtigen Greis gesungen, hat den Titel „I'm cool, man.“ Ottos Coverversion lautet natürlich: „Bin schwul, man.“ Otto hat sich einen Bart umgebunden und zuckt unmißverständlich mit den Lenden, wie es die Schwulen zu tun pflegen.

Otto mit seinen 46 Jahren hüpft auf der Bühne noch beinah so rum wie ein 36-jähriger, Kompliment! Zieht sich blitzschnell um. Singt den Grönemeyer besser als der Grönemeyer. Zaubert so hundsmiserabel, daß es nicht mal lustig ist. Applaus. Das Publikum hat schon lange vorher beschlossen, ihm verfallen zu sein. Und auf eine eigentümliche Weise strahlt die Witzfigur da vorn sogar etwas Väterliches aus. Es ist wahr: Im Alter erinnert Otto immer stärker an Freddie Quinn.

Und die Neue Frankfurter Schule? Ottos Beraterstab aus dem „Titanic“-Umkreis? Womit Ottos PR-Leute die Intelligenz in die Shows locken wollen? Verstecken sich Robert Gernhard undsoweiter hinter Wodka Zischer, Abgeordneter der Blauen, der nachweist, daß kein Alkohol am Steuer gefährlich ist, weil 80% aller Verkehrsunfälle ohne Alkohol passieren? Oder haben sie das Terroristenalphabet ausgeheckt (hat 24 Buchstaben: C & A wurde angezündet)? War das die Neue Frankfurter Schule: In Sidney hat ein Hochhaus gebrannt. Menschen kamen nicht zustande.? Nein, diese Meldung hat der Nachrichtensprecher von Radio Bremen erfunden, gestern 9.00 Uhr. Neue Bremer Schule

. Burkhard Straßmann