■ Nachgefragt
: Kein Geld für Vorsorge

Gestern wurde in Bremen das 4. Symposium des öffentlichen Gesundheitsdienstes eröffnet. Dr. Jochen Zenker ist Tagunsgreferent und Leiter des Bremer Gesundheitsamtes.

taz: Vor 14 Tagen trat in Bremen ein neues Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Kraft. Was bedeutet das für das Gesundheitsamt, was für die BürgerInnen?

Dr. Jochen Zenker: Es bedeutet, daß nach 50 Jahren, – das alte Gesetz stammt von 1934 –, die reformierte Praxis eines kommunalen Gesundheitsamtes einen gesetzlichen Hintergrund erfahren hat. Jetzt sind bestimmte Aufgaben per Gesetz festgelegt: über gesundheitliche Probleme vor Ort zu berichten, die nötigen Schutzmaßnahmen einzuleiten, aber auch Hilfen anzubieten.

Andererseits wird der Rahmen Ihrer Handlungsmöglichkeiten durch knapper werdende Ressourcen immer enger.

Die Ressourcen sind inzwischen so knapp, daß wir im öffentlichen Gesundheitsdienst bereits einige Leistungen nicht mehr erbringen können.

Zum Beispiel?

Es hat eine große Disskusion um die Rattenbekämpfung gegeben, in allen Hafenstädten Problem, das man ernst nehmen muß. Das überlassen wir jetzt den privaten Rattenbekämpfern, obwohl wir das mit unserer Systematik besser machen könnten und machen müßten.

Als die ehemalige Gesundheitssenatorin Gaertner das Gesetz im März vorstellte, warnte sie vor finanziellen Einschnitten bei der Betreuung.

Natürlich hat jedes Gesundheitsamt in der Bundesrepublik seinen eigenen Umgang mit den Ressourcen. Wir haben uns hier mit der senatorischen Behörde dafür entschieden, zunächst in dem Bereich der Hilfen nichts einzuschränken. Wir können weder im Bereich der Sozialpsychiatrie, noch im Bereich der Hilfen für Prostituierte, für für Aidserkrankte oder eben auch bei den Migranten solche Einschnitte akzeptieren. Dann werden wir uns eher einschränken bei der Prävention, obwohl wir die gern machen würden. Aber Hilfen kann man nicht beschneiden.

Ist denn das von der großen Koalition angedacht worden?

Nein, aber es gibt ein Personalentwicklungsprogramm. Da müssen wir jedes Jahr eineinhalb, jetzt sogar zweieinhalb Prozent unserer Stellen einsparen. Der in der Budgetierung festgelegte Rahmen wird so knapp sein, daß wir in einigen Bereichen nicht mehr das machen können, was wir jetzt noch leisten. Zum Beispiel haben wir gerade entschieden, bis auf weiteres die humangenetische Beratungsstelle bis auf weiteres nicht wieder zu eröffnen, die durch den Weggang von Kollegen vakant wurde. Normalerweise hätten wir wieder neu besetzt. Ansonsten versuchen wir, die Kürzungsrunden nach innen aufzufangen und sparen eher an der Infrastruktur als an den Leistungen. Zum Beispiel schreiben Abteilungsleiter die Briefe selbst. Das ist aber auch ein fragwürdiges Modell.

Nun hat ja der Politiker eine andere Interessensausgangslage als der Mediziner. Spitzen sich die Kommunikationsprobleme mangels Geld weiter zu?

Das kann sein. Aber ich muß in der Hinsicht was Positives über Bremen sagen. Wenn ich auf meine 12jährige Tätigkeit zurückblicke, so habe ich keine Auseinandersetzung mit der Senatorin erlebt, bei der ich am Ende etwas hätte ablehnen müssen, weil es für mich berufsethisch nicht akzeptabel war. Ich habe die Spitze der Politik immer als außerordentlich unterstützend erlebt. Aber wenn die Ressourcen noch knapper werden, dann gehts um Prioritätensetzungen. Und die sind möglicherweise in der Politik anders als bei uns.

Fragen: Dora Hartmann