Durchs Dröhnland
: Abteilung peinlichstes Lieblingsstück

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

In München scheint es musikalisch nur zwei Alternativen zu geben: Entweder macht man Moroder-Disco und viel Geld oder man scheißt auf alles, ist völlig durchgeknallt und Liebling der Kritiker. Beispiel hierfür FSK, deren jetziger Trommler mal bei den Merricks war. Die wiederum haben nicht mal einen kruden Masterplan wie FSK, sondern machen einfach das, was ihnen gerade einfällt. Zuletzt fiel ihnen ein, sich von Easy Listening und Filmsoundtracks inspirieren zu lassen. Die Folgen sind ebenso unbeschreibbar wie unbeschreiblich, hochmusikalisch, ideensprühend und vor allem sehr lustig.

Heute, 23 Uhr, Eimer, Rosenthalerstraße 68, Mitte

Sieben Jahre haben Remain in Silence gebraucht, um sich wieder aus dem Übungsraum zu wagen. Und dann ausgerechnet auf einer Compilation mit dem Titel „Godfathers of German Gothic“. Dabei waren die Hannoveraner Helden in diesen sieben Jahren längst zu epischen Songwritern mutiert, die den großen Wurf nicht scheuen, auch wenn das Scheitern hin und wieder nicht verhindert wurde. Doch haben die breiten Altersstarrsinnballaden ihren Reiz.

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Daß man als überzeugter Free- Jazzer beim Bluesrock landen kann, beweisen Love 666. Das Trio aus Washington D.C. hört parallel Ornette Coleman und Robert Johnson, benutzt aber nahezu ausschließlich die Sounds eines elektrifizierten Blues mit Drang zum Trash. Den schamlosen Umgang mit Schemata und anderen Vorgaben haben sie aus ihrer Jazzerzeit herübergerettet. Das Ergebnis ist zähflüssig und apokalyptisch.

Morgen, 22 Uhr, Knaack

Aus Flensburg kommen Zack Ahoi und spielen einen hyperventilierenden Punkrock, dessen einzige Kunstfertigkeit in dem Bemühen besteht, verschiedene Stimmen hin und wieder zum Chor zusammenzufügen. 3,4 auf der nach oben offenen Dead- Kennedys-Skala.

Morgen, 22 Uhr, Schokoladen Mitte, Ackerstraße 169, Mitte

Rios besteht aus dem Perkussionisten David Friedman, dem Bassisten Anthony Cox und Dino Saluzzi am Bandoneon. Alle drei keine Unbekannten, aber bei Rios bestimmt eindeutig Saluzzi den Gesamtsound, schon weil das Bandoneon noch immer kein alltägliches Instrument im Jazz ist. Die Tango-Schwere ist zwar jederzeit vorhanden, auf die Gassenhauerrhythmen wird gnädigerweise verzichtet.

Morgen, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg

Was hier bei uns von den Connells ankam, war nur „74-75“ und damit ein recht schmalziger Gesamteindruck. Daß die Band aus Georgia im US-College-Radio längst in die Fußstapfen von R.E.M. getreten waren, rehabilitiert sie halbwegs, auch wenn der durchschnittliche Connells-Song nur unwesentlich unschnulziger ist. Zugegebenermaßen hatte ich einen Narren gefressen am Sommerhit „74-75“, Abteilung peinlichstes Lieblingsstück.

Am 15.10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Die letzte Platte von Rickie Lee Jones heißt „Naked Songs“ und ist live, vor Publikum und nur mit akustischer Gitarre aufgenommen. Viel Neues findet sich nicht, eher schon fast Altertümliches wie der längst historische Hit „Chuck E.'s in Love“, aber natürlich paßt die allzeit authentische Jones perfekt ins Unplugged- Zeitalter, allzuviel Veränderung würde da nur schaden. Dem alten Kumpel Tom Waits, auf dessen „Blue Valentine“ sie mitgesungen hatte, ist das ja nicht so gut bekommen. Also bleibt Rickie Lee bei ihren Leisten, dehnt und zerrt und phrasiert weiterhin „die rhapsodische Sprache der Beat-Generation“ (Rolling Stone) in ihren schmerzend berührenden Songs, die eher die offenen Wunden eines voyeuristischen Publikums als einer leidenden Sängerin offenbaren, was ihr von Julie Burchill den Vorwurf einbracht hat, „unangenehm herablassend“ zu sein.

Am 18.10., 20 Uhr, Passionskirche

Der Zusatz bei The Frames DC steht für „Dublin City“, damit es keine Verwechslungen mit einer gleichnamigen US-Band gibt. In Irland bestand die Gefahr sowieso nicht, längst schon wird Sänger Glen Hansard wegen einer Rolle in „The Commitments“ erkannt. In letzter Zeit fand sich ihr folkiger Mainstream-Rock mit Hansards Stimme, die an Peter Gabriel gemahnt, hoch in den dortigen Charts.

Am 18.10., 21 Uhr, auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Das ist doch mal eine Geschichte: La Mano gründeten sich in San Francisco, wanderten dann aber 1993 (nicht ganz geschlossen) in die Tschechische Republik aus, wo man einen ukrainischen Trommler fand und sich wieder zum Trio vervollständigte. In Tabor ist man mit anderen Künstlern dabei, „Cesta“, ein „Projekt für kulturellen Austausch“, aufzubauen, veranstaltet Festivals und Workshops. Die Band La Mano und ihren teilweise von einer Funkgitarre dominierten, möglicherweise von Fugazi beeinflußten, sich um Abwechslung bemühenden Hardcore gibt es weiterhin

Am 19.10., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Hier haben wir mal wieder den Fall vom falschen Ort zur rechten Zeit, denn während die Kollegen gerade an der Renaissance von British Pop arbeiten, spielen Bush aus London einen frech-krumm- ölig-highen Gitarrenrock, der bis vor kurzem noch Grunge geheißen hätte. Mit dem waren sie zuerst in den USA erfolgreich und dürfen deshalb jetzt auch hier hoffen. Mich persönlich erinnert es sehr an den Bone Club, einen jener Favoriten, den wieder kein Schwein kennt, was man von Pearl Jam nicht behaupten kann. Für Freunde von knorke Gitarren und ausgelutscht-unvergänglichen Melodien ein unbedingtes Muß.

Am 19.10., 20.30 Uhr, Loft

Die vielen kleinen Mädchen, die auf den Elektro-Wave von Project Pitchfork warten, die werden ziemlich große Augen machen, wenn erst mal Rammstein auf die Bühne kommen. Sechs nackte, manchmal arg schmächtige Oberkörper, exakte Kurzhaarschnitte und Wehrmachtsmetal im Stakkato. Dazu eine Stimme, die „Du riechst so gut“ herausquält, daß man automatisch an Vergewaltigung denken muß. Aber vielleicht ist das Ganze ja auch ironisch, dialektisch oder sonstwie kompliziert gemeint, die so verschiedene Vergangenheit der Musikanten bei Bands wie Feeling B, Die Firma, den Inchtabokatables, First Arsch und Quartered Shadows deutet darauf hin. Rammstein geben so was wie die deutschen Laibach ohne Augenzwinkern.

Am 19.10., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108–114, Neukölln

Was Tastenmann und Saxophonist Bernd Kircher und Schlagwerker Thomas Ritthoff als Kirit so ausfließen lassen, ist sicher aller Ehren wert, aber leider kaum mehr als Kunstgewerbe, das selbst als Tatort-Soundtrack noch immer hochunauffällig bliebe. Nette Hintergrundmusik für den Besuch in der Cocktailbar mit einem kaum mehr meßbaren Aufregungsfaktor.

Record Release Party am 19.10., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg, und 26.10., Junction Bar, Gneisenaustraße 18, Kreuzberg Thomas Winkler