Augen auf beim Kohlenkauf! Von Klaudia Brunst

Ich habe nichts gegen Kohleheizung – von der Emissionsfrage mal abgesehen. Ich habe auch nichts gegen das Kohlenschleppen – wenn ich nicht gerade damit dran bin. Gegen das Kohlenkaufen habe ich allerdings etwas. Und damit war ich vorgestern dran.

„Die Kohlenleute kommen zwischen halb sieben und dreiviertel neun“, hatte mich meine Freundin vor dem Schlafengehen noch erinnert. „Und paß bloß auf, daß die uns nicht wieder bescheißen.“

Der hiesige Brennwarenhandel hat nämlich einen äußerst verwegenen Ruf, seit eine Verbraucherorganisation Brikett für Brikett nachwiegen ließ, was man in dieser Branche gemeinhin für eine Tonne hält. Der Trick mit dem Beschiß funktioniert angeblich auf zwei verschiedene Arten: Die einen kommen gar nicht erst mit der korrekten Anzahl von Kiepen, nämlich pro Tonne dreizehn volle und eine zu zweidrittel leere. Das sind die Dreisten. Die anderen haben zwar genug Kiepen dabei, aber die sind entgegen der Norm etwas schmaler. Dadurch sehen die für den Laien zwar voll aus, beherbergen aber trotzdem nicht die vorgeschriebenen 75 Kilo. Nachzählen wäre hier also zwecklos. Deshalb sind das die Raffinierten.

Es ist also gar nicht so einfach, sich nicht bescheißen zu lassen. Am besten, man sucht sich gleich einen bekanntermaßen vertrauenswürdigen Anbieter und vertraut dem dann einfach. Die Vertrauenswürdigen sind aber natürlich wesentlich teurer als die Raffinierten. Da fragt man sich dann schon wieder, ob es nicht doch raffinierter ist, einfach mehr von den Dreisten zu bestellen – und dann eben gut aufzupassen. Aber gerade dieses Aufpassen bereitet mir seit jeher große Probleme. Bei den Raffinierten hat man ja letztlich doch keine reelle Chance.

Oder würden Sie sich trauen, eine Personenwaage mit in den Kohlenkeller zu nehmen und dann vor den Augen der Kohlenmänner jede einzelne Kiepe nachzuwiegen? Und was macht man überhaupt, wenn dann da wirklich was fehlt? Etwa alles wieder einpacken lassen?

Da kann man eigentlich nur hoffen, an einen Dreisten geraten zu sein. Aber selbst das Nachzählen ist gar nicht so einfach. Die beladen ihren Laster ja nie nur mit den bestellten Kiepen, sondern immer auch noch mit anderen. Man kann also nicht vorher nachzählen, sondern muß während der ganzen Prozedur mitzählen. Am besten, man stellt sich demonstrativ mit Stift und Papier in den Hof, und macht jedesmal einen Strich, wenn die Kohlenleute vorbeikommen. Aber das ist mir immer total peinlich. Deshalb schlendere ich lieber demonstrativ lässig zum Briefkasten und hole mir die Zeitung raus, setze mich auf die Mülltonne und tue so, als ob ich lese. Im Kopf zähle ich natürlich schon mit. Aber so merkt's wenigstens keiner.

Vorgestern also saß ich so da und zählte, und die liefen, und natürlich nie paarweise (was viel praktischer wäre), sondern mal einer, mal zu zweit und dann wieder lange gar keiner. Irgendwann waren sie endlich fertig, und ich hatte das deutliche Gefühl, daß es wieder nicht die richtige Anzahl Kiepen gewesen war. Ich könnte schwören, daß es eine zuviel war. Was ja nicht sein kann. Was wohl bedeutet, daß ich mich verzählt habe. Woraus folgt, daß mal wieder alles umsonst war. Eine Zentralheizung hat doch vieles für sich.