Das wohltuende Urchristentum des Blues

■ Räucherkerzen und Gefühle: Coco Robicheaux wollte immer schon ein Hippie sein

Bevor Joe Cocker das Pennertum für den Pop domestizierte und mit seiner sauber entlausten Rockmusik die Herzen altgewordener Männer und rührseliger Frauen aufschloß, war er einmal ein guter Musiker. Coco Robicheaux ist vom selben Alter wie Cocker, aus demselben Holz geschnitzt und macht ebensolange Musik, aber sein Solo-Debut ist von 1994. Wen wundert es da, daß einen Spiritland wohltuend an vergangene Zeiten erinnert, als die bestverdienenden Rockmusiker der Welt nicht alle weit über 40 waren.

In der dienenden und erfolglosen Rolle, die Robicheaux bis heute eingenommen hat, konnte sich deswegen etwas konservieren und mit Poesie anreichern, das im Wandel von Subkultur zum Mainstream wie ein Urchristentum des Blues bestehen bleibt. Sein New-Orleans-kontaminiertes, mottenlöcherfreies Jammen, das er in der Band von Professor Longhair gelernt hat – wie auch den Haß auf Haarscheren –, besitzt die Qualität des armen Mannes, der aus Überzeugung nie etwas anderes getan hat, als Rock'n'Roll zu leben. So klingt Robicheaux' Stimme nach Tankladungen von Whiskey und Tabak und dem echten Glauben an die Spiritualität der Natur. Echt urtümlich eben, deswegen echt klischeefrei.

Denn anders als etwa ein Lou Reed, der bei seinem Konzert seine eigenen Stücke nicht besser spielt als die Heimfelder Lou-Reed-Revival-Band, ist in der Musik von Spiritland die Zähigkeit erfolgloser Wander- und Tingeljahre plastisch zu hören – in Form ungebildeter Weisheit. Blues eben, der Leid veredelt und echt blutet, fern der Geste, fern von Ironie, fern jedes Geldverdienens.

Kann einem das heute noch etwas bedeuten? Einem Mann zuzuhören, der immer nur Hippie bleiben wollte, der Räucherkerzen, Heiligenbildchen, Geschichten und abgelackte Gitarren um sich schart und in dem uralten Blues-Schema seine einfachen Gefühle sortiert. Einer, der von Musik träumt und von den Frauen singt, die er liebte und die ihm weggelaufen sind, weil es heutzutage Kabelfernsehen und Fernreisen gibt. Kann der mehr sein als ein Bewohner von Zeit? Frei nach Adorno also: die Avantgarde als Gegenentwurf zu Joe Cocker.

Till Briegleb So., 14. April, 21 Uhr, Logo