Der direkte Weg zum Glück

■ Der dEUS-Ableger Kiss My Jazz mit eigenwilligen Skizzen

So wie es aussieht, nimmt es mit dEUS nochmal ein böses, respektive gutes Ende. Böse im Sinne ihres Major-Labels, ihrer Rente, ihrer Versorgung mit Koks und Kaviar. Gut im Sinne der Weltkultur, der Freude, des Lebens. Die große Popularität ihres Debuts bekämpfte das freigeistige belgische Quintett mit einer folgenden, in Format und Musik äußerst eigenwilligen EP, danach startete auch noch Moondog Jr. als kaum weniger freakiger Ableger. Ein weiterer, noch deutlicherer Abschiedsgruß an Alternative Rock manifestiert sich in Kiss My Jazz, dem neuen Hobby von Gitarrist Rudy Trouvé und Sänger Stef Kamil Carlens.

In bester Workshop-Tradition spielen die Belgier mit dem schwammigen Wort „Jazz“ und reinigten es von staubigem Swing und elterlichem Dixieland-Frühschoppen. Dabei in den Hauptrollen: acht junge Männer, ein Hotelkeller, zwei Hände voll Instrumente und einfachste Aufnahmetechnik – der klischeehafte Stoff zum direkten Glück. Entsprechend ist das Kiss- My-Jazz-Album mit Namen Doc's Place Friday Evening eine Ansammlung von 21 in alle Richtungen offenen Skizzen. Zusammengehalten von einer gewissen Professionalität in Spiel und Arrangement, die sich vor allem darin offenbart, daß trotz dieses grenzenlosen Miteinander Anfänge und Enden gefunden wurden, die meist am rechten Platz sitzen. Dazwischen wird zarte Gleichzeitigkeit gehäuft, man spricht durcheinander, Gitarren, Gedudel. Und dann wieder pure Coolness, Bassläufe und Poetry, ventilierte Trompetensoli. Und dann wieder Feedback. Und dann wieder reizende kleine und mittlere Melodien, die sich durch und über all das hinwegschlängeln.

Jazz? Warum sollte eine Gruppe mit Namen „Leck mich am Jazz“ Etikettenschwindel betreiben, wo sie doch alles gesagt haben? Scheiß auf Jazz. Das ist so sehr Jazz wie dEUS Rock sind und die Fragestellung niemand hilft. Freiheit, alles zu tun, inklusive Sentimentalität und plötzlichem Abbrechen, Peinlichkeiten – das hat keinen Namen. Vielleicht heißt es Knitting Factory? Der New Yorker Club, der auch ein Label betreibt, steht für Musik, deren Vergangenheit viele Namen hat, doch vor allem Jazz heißt. Doch selbst gegen den weitgesteckten Rahmen ihres Labels stoßen Kiss My Jazz, unbeholfen, charmant und ein wenig verspielt.

Uschi Steiner

Do., 11. April, 21 Uhr, MarX