53 Qualitäten Led Zeppelins

■ Die Smashing Pumpkins stellen Trauer und Aufgeputschtheit gegenüber

Ein Musiker sitzt bei einer Psychologin, die ihn nach seinem Verhältnis zu den Mitspielern aus seiner Band fragt. Statt über die Dissonanzen zu reden, die sich ohne Instrumente ergeben, erzählt der Musiker die Geschichte seiner Band als angefangenes Gleichnis: „Jemand steht mit anderen vor dem Einlaß zu einem Zirkus. Während er wartet, tritt ein Unbekannter zu ihm hin und bittet ihn um fünf Pence, um die Eintrittskarte zu bezahlen. Er bekommt das Geld, und beide sehen sich die Vorstellung an. Danach fragt der Spender, wann er mit der Rückgabe des Geldes rechnen kann. Sein Schuldner teilt ihm mit, daß er das nicht sagen kann. That's the story of the band.“ Der Musiker, der der Psychologin so etwas erzählt, heißt Billy Corgan, die „story of the band“ ist die Geschichte von Smashing Pumpkins aus seiner Sicht.

Im weitesten Sinne streben die Smashing Pumpkins ein Weiterleben von Grunge als groß aufgezogener, teenage-riotiger Glam Metal an. Aber wenig ist um die Gruppe herum klar. In der deutschen Kritik blieb es bei einem Achselzucken. Vor zwei Jahren hieß es an dieser Stelle, daß die Smashing Pumpkins über 53 von 76 Qualitäten von Led Zeppelin verfügten. Das hieß, daß sich die Smashing Pumpkins jene Qualitäten der 70er-Helden rausgesucht hatten, deren Weiterbearbeitung Interessantes versprach.

In den USA dagegen übernehmen die Kollegen Billy Corgans die Marschrichtung zur Behandlung des Falles. Aus den treu wiederholten Bekundungen, sie zu hassen, sticht eine Bemerkung der Sonic-Youth-Musikerin und Modemacherin Kim Gordon heraus: „Billys größtes Problem ist es, daß seine Arbeit nicht als kulturell wichtiger Beitrag angesehen wird“, beschrieb Gordon den Sänger Corgan.

Solche Bemerkungen sind noch von einer anderen Seite informativ. Es liegt nämlich auf der Hand, daß US-amerikanische Bands – dafür sprechen die Äußerungen von Gordons Mitspieler Thurston Moore – nicht unbedingt Teil einer Jugendbewegung sein möchten, weil ihnen die Jugendlichen so unsympathisch geworden sind. US-amerikanische Bands wiesen aber mit ihrer Einigkeit im Urteil über die Pumpkins auf ihren Wunsch hin, Teil einer Geschichtsschreibung zu sein, deren Glanz durch Einbeziehung der Band nicht getrübt wird. Statt sich darüber Gedanken zu machen, was „Zukunft“ bedeuten soll, befürchten einige bloß, daß ihnen der Platz, welcher ihnen in der Zukunft zugestanden werden soll, kleiner wird.

Mallon Collie And The Infinite Sadness, der Titel der jüngsten Platte, nimmt sich aber gegenüber solchen Befürchtungen in seiner Art hupfig aus. Jedenfalls gegenüber Leuten, denen die Band etwas streitig gemacht haben sollen. Denn die „unendliche Traurigkeit“ ist eine milde Ansage an Kritiker. Corgan hat dieses Mal Lieder wie in einem Anfall oder einem Rausch geschrieben. Man könnte auch sagen: einer Wut, die zu viele Ziele kennengelernt hat. „I knew my loss before I even learned to speak“, singt Corgan. Man könnte ihn für jemanden halten, bei dem sich Trauer und Aufgeputschtheit gegenüberstehen. Das ist doch interessant. Kristof Schreuf

Mit Filter: So., 14. April, 20 Uhr, Sporthalle