Von Mitwissern und Mittätern

■ Barbarischer Alltag mit Ausnahmen: der semi-dokumentarische Film Hasenjagd zeigt die Jagd auf Kriegsgefangene in Österreich

Filme, die erinnern, die von historischen Begebenheiten erzählen, sprechen uns automatisch auf unsere Vorstellung von Geschichte überhaupt an. Sie fragen in ihrer Erinnerung zugleich nach dem, was für eine Historie präsent bleibt und wie diese uns erzählt wird. Diese Frage fällt auf die Filme selbst zurück. Der Unterschied zur offiziellen Geschichtsschreibung liegt dabei mehr im Medium, als in der Erzählung als Methode.

Hasenjagd erzählt von den Ereignissen der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“, die sich, so wissen die Geschichtsbücher, im Februar 1945 zutrug. Dort waren die meisten von 150 aus dem KZ Mauthausen entflohenen russischen Kriegsgefangenen unter reger Beteiligung der österreichischen Zivilbevölkerung gejagt und wie Hasen, erschossen worden.

Mit authentischem Filmmaterial umrahmt der österreichische Regisseur Andreas Gruber seine Erzählung dieser „Hasenjagd“. Dabei ist Hasenjagd klassisch erzählendes Geschichts-Kino und damit immer auch eine Allegorie, die etwas sagt und etwas anderes meint. Gruber erzählt von der Flucht der Gefangenen, vom österreichischen Dorf-Alltag, der sich dadurch verändert, vom Schicksal der Flüchtigen, dem barbarischen Abschießen und der Gefahr derer, die den Entflohenen helfen. Sein Ziel ist es, in Erinnerung zu bringen, Geschichte abrufbar und damit auf eine Weise konkret zu machen. Damit stellt er sich der Frage, welches Bild der Kriegsereignisse hier abrufbar ist.

Über einen sorgfältigen Umgang mit dem Licht nehmen wir an dieser Geschichte teil. Ein bläulich-grauer Schleier scheint über den Ereignissen zu liegen. Farben geben Stimmungen preis und erzeugen sie zugleich. Als nach über einer Stunde zum ersten Mal die Sonne zu sehen ist, muß ein Fliehender seine Begrüßung des aufkeimenden Frühlings mit dem Leben bezahlen.

Was Gruber durch sein ästhetisch durchdachtes Konzept angeht, ist zu einem beachtlichen Teil die Errichtung eines Bildes vom kleinen Heldentum. Er zeigt die Möglichkeit des Richtigen im Falschen. Dem hilflos-integren Schutzmann, dem brutalen Nazi, der Mehrzahl indifferenter Mitmacher stellt er das Moralische und Gute in Gestalt der Familie Langthaler gegenüber, die zwei der Flüchtenden retten konnte.

Es liegt in der Komplexität dieses Themas und der Verdrängungsdynamik der Nachkommen des „III. Reichs“, daß sich Andreas Gruber mit dieser Fokussierung der mensch- lichen Ausnahme anstelle der barbarischen Regel auf problematischem Boden bewegt. Die Vertreter jener unsterblichen Bewältigungsflucht in ein versöhnliches Gedenken vorbildlicher Volksgenossen sind bei ihrer Futtersuche – vor allem im Kino – schon immer mehr als kompromißbereit gewesen.

Bei Hasenjagd werden sie sich jedenfalls anstrengen müssen.

Jan Distelmeyer Do., 11., bis Mi., 17. April, 3001, jeweils 18 Uhr