Wer will schon die freien Radios?

■ Wenig Idealismus bei den „nichtkommerziellen Lokalfunkern“

Hannover - Der „nichtkommerzielle lokale Rundfunk“ sorgt kurz vor seiner Einführung als Modellversuch in Niedersachsen für lange Gesichter bei den Medienpolitikern. Die Vergabe der Lizenzen durch die Landesmedienanstalt (NLM) mußte schon oft verschoben werden. Kaum einer der Bewerber um die Frequenzen verkörpert die Idee, die die rot-grüne Mehrheit im Landtag vor drei Jahren hatte: Mit einem Programm für Jung und Alt sollten die neuen Sender über Gebühren finanziert werden und mit wenigen Redakteuren und vielen Hobbyjournalisten umfangreich aus der Region berichten, um ein Gegengewicht zu den Tageszeitungen zu setzen.

Stattdessen mischen niedersächsische Verlage bei den meisten Bewerbern durch Spenden oder Beteiligungen an den Radiogesellschaften mit. Das Landesrundfunkgesetz lasse dies leider zu, erklärte Ulrich Holefleisch, der für die Grünen in der NLM sitzt. Doch verstehe er nicht, daß die lokalen Initiativen, die sich um eine Lizenz bewerben, die Verlage selber ins Boot holen – zumal die Verlage oft absolute Monopolisten in einer Region sind. Holefleisch wirft den Bewerbern vor, in ihr Medium „verliebt“ zu sein, statt sich für demokratische Meinungsbildung einsetzen zu wollen. Das Bewußtsein für diese neue Medienform, wie es sich die Grünen einmal gedacht hatten, sei offenbar nicht vorhanden.

Der Madsack-Konzern aus Hannover führt dagegen an, daß auch Verlage eine Chance brauchen, sich im Medienmarkt weiterzuentwickeln. „Wir befürchten außerdem, daß aus dem nichtkommerziellen ein kommerzieller Lokalfunk werden könnte, wenn sich das Projekt nicht bewährt“, meinte kürzlich der Vorsitzende der Geschäftsführung, Friedhelm Haak. Und dann wolle Madsack schließlich dabei sein. Das Engagement jetzt sei „reine Prophylaxe“.

Für den Raum Hameln-Pyrmont hat die NLM bereits die erste Lizenz an den Verein „RadioAktiv“ in Hameln vergeben. 13 Initiativen bewerben sich um die übrigen Frequenzen in den Gebieten Hannover, Göttingen, Braunschweig, Lüneburg/Uelzen und Wilhelmshaven. Zur Zeit laufen Gespräche, um mehrere Bewerber für eine Frequenz zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die meisten müssen aber noch einiges tun: „Es ist erschreckend, daß keine Initiative in der Lage war, einen hieb- und stichfesten Antrag vorzulegen“, beklagt Ulrich Dütemeyer von der CDU. In einem Papier der NLM werden vor allem Nachbesserungen für die Finanzierung gefordert. Auch die Programmverantwortung und mangelnde Technikkompetenz bereiten noch Kopfzerbrechen.

Keines der neuen Radios wird voraussichtlich rund um die Uhr senden. Damit es keine Sendepausen gibt, sollen andere vorübergehend die Frequenz übernehmen. Im Gespräch mit den Initiativen ist vor allem der Norddeutsche Rundfunk. Aber auch der Privatsender Radio ffn habe Pläne in der Schublade, um den Lokalradios ein Mantelprogramm zu beschaffen, kündigte Bernd Fenske von ffn an.