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■ VorschlagVeteran des Gay Pop: Jimmy Somerville im Tempodrom

Klar, zwischen schwul-lesbischem Motzstraßenfest, dem CSD und der Love Parade klafft eine Lücke. Immerhin ist Jimmy Somervilles Stimme mit „You Make Me Feel“ und „Don't Leave Me This Way“ noch allgegenwärtig, gerade bei diesen Party-Gay-Pride-Anlässen. Ein Heraustreten aus den Schatten der Vergangenheit (o mein Gott!), wie es etwa bei den Pet Shop Boys mit „Go West“ funktionierte, blieb dem Communards- und Bronski-Beat-Sänger allerdings bislang verwehrt. Seine Musik trifft einfach mehr den handylosen Jever-Trinker als die schrilleren Freunde von Diven wie Marc Almond, Boy George oder Erasure.

Jimmy Somerville, der „Smalltown Boy“ aus Glasgow, zog mit 16 Jahren von zu Hause aus. Nach Fabrikjobs zur Finanzierung schottisch-schwuler Vergnügungsangebote zog er nach London, verkaufte Haushaltswaren in einem Kaufhaus und begann eine Bäckerlehre. Zwischen 1984 und 1990 war Somerville der Interpret explizit schwuler Popmusik. Mit der zweiten Band, The Communards, gab es einen leichten Wechsel von Songs, die sich auf Coming-out und Schwulenfeindlichkeit bezogen, zu Stücken, die Aids behandelten. 1987 traten die Communards im Wembley-Stadion vor 13.000 Menschen anläßlich des Aids Days auf.

Nach Stücken wie „For a Friend“, in denen Jimmy Somerville den Tod eines Freundes, der an Aids starb thematisierte, engagierte er sich hauptberuflich für Aidsaufklärung. Nebenbei hat er sich seinem neuen Lebensinhalt, dem Filmgeschäft, zugewandt (mit eigener Produktionsfirma für „schwule“ Themen). Ansonsten sind die clubbig- poppigen Smalltown Boys, von Soft Cell bis Frankie goes to Hollywood, heute den Backstreet Boys und East 17s gewichen. Was explizit schwule Bands und deren Themen angeht, hört man zwischenzeitlich nur noch von verbotenen Plattencovern der Pet Shop Boys, auf denen ein unverhüllter Penis zu sehen ist. Harte Zeiten. Annette Weber

Heute, 21 Uhr, Tempodrom, In den Zelten beim Haus der Kulturen der Welt, Tiergarten

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