Die unendliche Trauer des Kim Jong Il

■ Cholera in Nord-Korea? Auch nach dem zweiten Todestag seines Vaters übernimmt Kim junior nicht dessen Ämter

Tokio (taz) – Pünktlich zum zweiten Todestag des „Großen Führers“ Kim Il Sung, der heute ganz Nord-Korea in Trauer taucht, verbreitete der südkoreanische Geheimdienst eine Schreckensnachricht: Im Norden sei eine Cholera-Epidemie ausgebrochen. Hunderte seien infiziert und Dutzende gestorben. „Ursache ist die Unterernährung, die die Gesundheit der Nordkoreaner seit Monaten schwächt“, ließ das Sicherheitsministerium in Seoul verlauten.

Vielleicht haben die Südkoreaner sogar recht. Internationale Hilfsorganisationen warnen seit Monaten vor dem Ausbruch schwerer Epidemien im stalinistisch regierten Nord-Korea. Katastrophale Überschwemmungen vernichteten im letzten Jahr den größten Teil der Reisernte. Aufgrund der Zerstörung von Düngermitteln und Bewässerungsanlagen rechnet das Rote Kreuz auch in diesem Jahr mit Ernteausfällen.

Doch wie groß auch immer die wirkliche Not ist – die Propagandaschlacht zwischen Nord und Süd tobt weiter. Die südkoreanische Cholera-Entdeckung muß jedenfalls schon im Licht des herannahenden Todestags von Kim Il Sung bezweifelt werden. „Wir untersuchen den Fall, aber wir haben bisher absolut keinerlei Anzeichen für Cholera“, dementierte wenig überraschend ein Sprecher des Roten Kreuzes in Pjöngjang.

Dabei bedarf es derzeit kaum zusätzlicher Horrormeldungen, um die nordkoreanische Regierung vor der Weltöffentlichkeit zu demütigen. Pjöngjang hat sich den größten Schaden selbst zugefügt, als es seine Auslandsvertreter noch zu Jahresbeginn verbreiten ließ, daß nach dem heutigen Trauertag die Ernennung des „Lieben Führers“ Kim Jong Il zum Staatspräsidenten und Parteiführer unmittelbar bevorstehe. Inzwischen ist davon keine Rede mehr.

„Das Volk und die Welt warten auf die Einsetzung des neuen Führers, aber Kamerad Kim Jong Il schuf die kommunistische Moral, die traditionelle Sitten übertrifft“, meldete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur. „Deshalb wird Kim Jong Il drei Jahre trauern.“ Bisher war es in Nord- Korea in Parteikreisen üblich, zwei Jahre um gestorbene Elternteile zu trauern. Nun läßt sich erneut spekulieren, ob Nachfolger Kim tatsächlich die Macht in den Händen hält. Georg Blume