Familienausflug einmal quer über den Atlantik

■ Israels neuer Regierungschef fliegt zum Antrittsbesuch nach Washington

Tel Aviv (taz) – Ganz im US- amerikanischen Stil wird heute Israels neuer Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Washington reisen – in Begleitung der First Lady Sara und ihren beiden kleinen Kinder. Keiner seiner Amtsvorgänger ist bisher mit der ganzen Familie zum Staatsbesuch aufgebrochen. In einem einstündigen CNN-Interview gab sich Netanjahu vor seiner Abreise betont US- amerikanisch. Der Habitus fällt ihm nicht schwer, weil er als Student und dann als Diplomat viele Jahre in den USA gelebt hat und perfekt amerikanisches Englisch spricht.

Einen guten Eindruck sollen und werden in den USA wohl auch Netanjahus radikales Privatisierungsprogramm und seine Vorliebe für den Thatcherismus machen. Gleich nach der Regierungsbildung beschloß er, die laufenden Staatsauslagen um umgerechnet fast Milliarden Mark zu kürzen – vor allem durch Einschränkung von Sozialleistungen. Klare Erklärungen zu konkreten politischen Problemen, wie der Ankurbelung der eingefrorenen Verhandlungen mit arabischen Nachbarstaaten und dem Verhältnis zu den Palästinensern, hat Netanjahu dagegen bisher vermieden. Von den Palästinensern will Netanjahu noch engere Zusammenarbeit zur Aufrechterhaltung der israelischen Sicherheit fordern. Wenn dies gewährleistet ist, soll es zu einer sorgfältig kontrollierten teilweisen Aufhebung der Blockade des Westjordanlandes and des Gaza- Streifens kommen. Wie die weiteren Verhandlungen über eine Ausweitung der palästinensischen Autonomie und Knackpunkte wie den zukünftigen Status Jerusalems fortgesetzt werden sollen, steht jedoch in den Sternen.

In Washington wird Netanjahu wahrscheinlich eine Änderung der israelischen Politik im südlichen Libanon vorschlagen. Es geht um die Wiederaufnahme eines alten Rabin-Projekts, demzufolge dort die libanesische Armee für die Sicherheit zuständig sein soll. In erster Linie müßten die libanesischen Soldaten dann dafür sorgen, daß sich die schiitische Hisbollah ruhig verhält. Falls das System zur Zufriedenheit Israels funktioniert, könnten später die israelischen Truppen aus der derzeit von Israel besetzten „Sicherheitszone“ abgezogen werden. Gleichzeitig will Netanjahu US-Präsident Clinton vorschlagen, Syrien als „Terroristenstaat“ zu bestrafen und Damaskus gegenüber eine aggressive Politik einzuleiten. Dabei könne Clinton der Unterstützung der US- Republikaner gewiß sein. Israel käme nicht länger unter Druck, die Verhandlungen mit Syrien möglichst bald wiederaufzunehmen.

In allen seinen bisherigen Kontakten mit Washington betont Netanjahu die Forderung nach Intensivierung des gemeinsamen Kampfes gegen islamischen Terrorismus und jene Regierungen, die angeblich dahinterstehen. Nach dem verheerenden Bombenanschlag auf US-Soldaten im saudischen Dahran werden solche Sätze in den USA auf offene Ohren stoßen.

Netanjahu geht davon aus, daß man ihm angesichts der im Herbst anstehenden US-amerikanischen Wahlen und des großen Gewichts, das dabei den jüdischen Bürgern beigemessen wird, freundschaftlich und großzügig entgegenkommen wird. Amos Wollin