Autokonzerne können die Koffer packen

■ Kommt die höhere Mineralölsteuer, dann verliert vor allem die Autoindustrie

Berlin (taz) – Zur „Erörterung“ lagert das Bundesverkehrsministerium seit einem Jahr eine Studie zur Mineralölsteuer. Zu brisant sind Minister Matthias Wissmann die Prognosen des Münchner Ifo- Instituts für Wirtschaftsforschung. Würden sie doch der Debatte um drastisch höhere Benzinpreise und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft einen ganz anderen Drall geben.

Wenn der Sprit knapp 5 Mark pro Liter kostet, sinkt der Verbrauch der Autos. Dann wäre endlich spritsparende Technik lohnender, schreiben die Ifo-ForscherInnen in der 400seitigen Studie „Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen preispolitischer Maßnahmen zur CO2-Reduktion im Verkehr“. Außerdem werden 10 Prozent weniger Kilometer im Individualverkehr zurückgelegt, dafür 16 Prozent mehr mit der Eisenbahn und im öffentlichen Nahverkehr – stets im Vergleich zum jetzigen Zustand.

Unterm Strich sinkt der Spritverbrauch im Individualverkehr um knapp 30, beim LKW-Verkehr um knapp 32 Prozent. Auf diese Weise reduziert sich auch der Kohlendioxidausstoß aller Verkehrsmittel um ein Viertel.

Am wirkamsten ist eine Erhöhung des Kraftstoffpreises um durchschnittlich 9,7 Prozent im Jahr. Auf der Basis des Jahres 1990 mit einem Literpreis von 1,25 Mark wäre der Preis im Jahr 2005 dann bei 4,60 Mark angelangt. Zum Vergleich: Bei einer Inflation von jährlich drei Prozent läge der Literpreis bei knapp 1,80 Mark. Wenn gleichzeitig noch eine Verkehrsabgabe von bis zu 6 Pfennig pro gefahrenen Kilometer oder eine verbrauchsabhängige Kraftfahrzeugsteuer bis zu 25.000 Mark im Jahr eingeführt werden würde, so verringere sich der Gesamtverbrauch an Mineralöl um gut 36 Prozent, schreiben die Ifo-ForscherInnen. Dies heißt jedoch nicht, daß der CO2-Ausstoß absolut sinkt. Im Gegenteil: Laut Ifo und einer Studie des Basler Prognos-Instituts steigt er dennoch um 9 Prozent. Ohne eine Erhöhung der Mineralölsteuer würde er aber bis zum Jahr 2010 um mehr als ein Drittel in die Höhe schnellen. Die Selbstverpflichtungen der Bundesregierung, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2010 um 25 Prozent zu reduzieren, wären damit vollends hinfällig.

Das Ifo-Institut hat erstmals die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Konjunktur berechnet. Immerhin nimmt der Staat dann 92,5 Milliarden Mark mehr Mineralölsteuer pro Jahr ein. Alle denkbaren Steuern zusammengenommen bringen Theo Waigels NachfolgerIn sogar 177 Milliarden Mark. Durch diese Steuerbelastung gehen bis zum Jahr 2010 tatsächlich 77.000 Arbeitsplätze verloren. Würden alle denkbaren Modelle umgesetzt, gäbe es sogar 147.000 Arbeitsplätze weniger. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum wird durch die höhere Mineralölsteuer dennoch „nicht nennenswert beeinträchtigt“, schreibt das Ifo-Institut. Das Bruttoinlandsprodukt bleibe durch die höhere Mineralsteuer im Jahr 2010 nur um 0,5 Prozent unter dem verkehrsfreundlichen Referenzmodell. Die Nettolöhne würden im gleichen Zeitraum sogar um drei Prozent steigen.

Die größte Verliererbranche wären die Automobilkonzerne und ihre Zulieferer. Zugleich sind sie die größte Branche im exportorientierten Deutschland. Nach deren eigener Rechnung hängt jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland am Auto. Und die Arbeitsplätze werden von einer Mineralölsteuer durchaus getroffen: „Um voraussichtlich fast zwölf Prozent wird – nach ihrer europaweiten Einführung – das Produktionsvolumen des deutschen Kraftwagenbaus unter dem Niveau des Referenzfalls liegen“, so das Münchner Institut. Reiner Metzger