: "Nein zum Hort männlicher Dominanz"
■ Die ehemalige Hamburger Gleichstellungsbeauftragte und heutige Bundestagsabgeordnete Marliese Dobberthien (SPD) zu der Überlegung, ob Frauen in der Bundeswehr als Soldatinnen mit der Waffe Dienst tun so
taz: Frau Dobberthien, bei der Polizei oder beim Bundesgrenzschutz dürfen Frauen jederzeit ihren Mann stehen, auch mit der Waffe in der Hand. Nur bei der Bundeswehr ist ihnen das nicht erlaubt. Ist das nicht ein völliger Anachronismus?
Marliese Dobberthien: Einerseits ja. Frauen können genauso gut schießen wie Männer. Dennoch lehnen wir in der SPD eine Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr ab. Dagegen sprechen auch verfassungsrechtliche Gründe.
Gut, das Grundgesetz verbietet Frauen den Dienst an der Waffe. Zur Begründung hieß es 1949, dieser Dienst widerspreche der natürlichen Bestimmung einer Frau.
Das ist ein blödsinniges Argument. Aber ein falsches Argument darf doch heute nicht dafür herhalten etwas Falsches zuzulassen. Angesagt ist heute eine Verkleinerung der Bundeswehr, ein Abbau militärischer Potentiale. Wofür brauchen wir da Soldatinnen?
Stichwort: Umstrukturierung der Bundeswehr. Manche wollen – wie in Frankreich unlängst geschehen – die Wehrpflicht abschaffen und statt dessen eine Berufsarmee aufbauen. Warum sollten Frauen in solch einer Armee nicht Soldatinnen werden können, wenn sie es unbedingt wollen?
Weil ich nicht glaube, daß mehr Gleichberechtigung ausgerechnet durch Uniform und Gleichschritt erreicht werden kann. Man muß bei der Bundeswehr – auch wenn wir jetzt in tiefsten Friedenszeiten leben – immer daran denken, daß sie ein staatliches Instrument für den Verteidigungsfall ist. Sie hat etwas mit Kämpfen und Töten zu tun, mit den ganz schrecklichen Seiten des menschlichen Lebens.
Und das widerspricht der natürlichen Bestimmung der Frau?
Blödsinn! Es geht um die Dienstverpflichtung von Frauen, die das Grundgesetz verbietet, also um die Verpflichtung von Frauen, in Krisenfällen mit der Waffe zu kämpfen. Und in dieser Frage sollte es keine Gleichheit geben. Eine Mutter mit kleinem Kind zum Dienst mit der Waffe zu verpflichten ist doch wohl die perverseste Idee, die man sich vorstellen kann.
Einige CDU-Politiker meinen, Frauen könnten eigentlich schon heute als LKW-Fahrerinnen oder Transportpilotinnen, also in der Logistik der Bundeswehr, eingesetzt werden. Da sie dort keinen Dienst mit der Waffe tun, sei dies mit dem Grundgesetz vereinbar.
Das ist die schleichende Einbeziehung der Frauen in die Armee.
Solange Frauen sich freiwillig dazu entscheiden, in die Bundeswehr einzutreten, ist daran doch nichts auszusetzen?
Die Armee ist ein Hort männlicher Dominanz und männlich- chauvinistischen Verhaltens. Erfahrungen in den USA bestätigen das. Dort quittieren viele Frauen ihren Dienst, weil sie aufs übelste sexuell belästigt wurden.
Dies kann deutschen Soldatinnen, die als Sanitäterinnen in Bosnien stationiert sind, derzeit auch passieren.
Gut, aber dem brauche ich doch nicht noch weiteren Vorschub zu leisten, indem ich die Armee für Frauen öffne und gleichzeitig die Illusion erzeuge, dort sei Gleichberechtigung machbar. Selbstverständlich könnten Frauen Generalinnen werden. Frauen sind da genauso geeignet wie Männer. Aber was bringt es, wenn Frauen in die Bundeswehr hineingehen, wenn sie in dieser Institution doch kein Deut an Gleichberechtigung gewinnen können? Interv.: K. Flothmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen