■ Vorschlag: Touristenfang und Sommerloch: Von der Bau- zur Schaustelle
Als Christo und Jeanne-Claude vor ziemlich genau einem Jahr ihre Sachen packten und wieder von dannen zogen, fingen in einem kleinen Büro im Bezirk Mitte die Köpfe an zu rauchen. Wieder ein Besuchermagnet wie der verhüllte Reichstag, das wär's! So grübelten sie bei Partner für Berlin, der Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing – und kamen doch immer nur auf das eine – kein Wunder, bei so vielen Baustellen in der Stadt. Moment, hat da jemand Schaustelle gesagt? Na klar, mach die Baustelle zur Schaustelle, Betreten erbeten, super. Man karrt die Leute vor halbgare Bürohäuser, erklärt ihnen, wie es ausschaut, wenn die Klötze fertig sind, und tut ein extra „Kulturprogramm“ dazu. Ist eigentlich ganz einfach. Und in Vorahnung unvergeßlicher Erlebnisse werden die Touristen in Massen über Berlin herfallen.
Doch grau ist alle Theorie. Irgend etwas ist schiefgelaufen. Zwar vermelden die Veranstalter stolz „große Resonanz“ auf ihr Sommerlochprogramm. Näher betrachtet stellen die dreitausend BesucherInnen, die am ersten Schaustellenwochenende gezählt wurden, jedoch einen eher bescheidenen arithmetischen Mittelwert dar – bei rund 320 Großbaustellen in der Stadt. Auch das auf neun „Open-air- Bühnen“ verteilte kulturelle Programm reißt es nicht raus. Was vielleicht daran liegt, daß die Organisatoren engagiert haben, wen sie kriegen konnten. In der Ferienzeit wohl eine Chance für die dritte und vierte Garnitur aus den vereinigten Berliner Kiezen, aber eben auch ein unkalkulierbares Risiko. Die KünstlerInnen als Pausenclowns vor einer Handvoll Publikum, so sammeln Talente Erfahrung. Bitter.
Dazu kommt eine gastronomische Basisversorgung, die einer Stadt wie – sagen wir mal – Husum ebenso gut zu Gesicht stehen würde. Bratwurst und Bier im unvermeidlichen weißen Partyzelt, uff. Andererseits hat das brunzprovinzielle Gewese um die „Baustellen von Berlin“ auch seine guten Seiten: Solange die Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing sich solche „Events“ ausdenkt, braucht man im restlichen Deutschland keine Angst zu haben, zumindest nicht vor der kulturellen Dominanz Berlins. Nicht viel für einen Sommer, aber immerhin etwas. Ulrich Clewing
Schaustelle Berlin, an diversen Orten, noch bis zum 25. August.
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